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27.
Juli
2015

Künstler in der Kirche / Teil VII: “Kunst aus christlicher Sicht” (2/2)

Es gilt, die konfliktreiche Seite des Verhältnisses von Kunst und Kirche ohne einseitige Schuldzuweisungen aufzuarbeiten. Es gibt noch allzu viele Vorurteile und Verletzungen auf beiden Seiten. Wie kann diese Aufarbeitung geschehen?

Der Schriftsteller András Visky liest ein Gedicht in der KIRCHE KREATIV im “Crescendo Sommerinstitut” am Samstag, den 25. Juli  2015 in Tokaj, Ungarn.

Lösungsansatz 1: Einsicht in die Stärken und Schwächen der anderen Seite  Ein erster Schritt würde dort gemacht, wo Kunst und Kirche den Charakter der jeweils anderen Seite entdecken. Um wenigstens stichwortartig einige Aspekte zu nennen:

Einsicht auf der Künstler-Seite Die Kirche hat die Kunst über Jahrhunderte gepflegt. Es besteht keine grundsätzliche Kunstskepsis in der Kirche. In der heutigen Kirche herrscht aber weitgehend ein Mangel an Kunst-Kenntnis. Es bedarf liebevoller Geduld, das Interesse für diesen “vergessenen Bereich” zu wecken und die Gemeinde ästhetisch zu prägen. Es gibt viele andere Bereiche in einer Kirche, die der Pflege bedürfen. Umso mehr ist Langmut gefragt – und vielleicht auch die Mitarbeit der Künstler in einem dieser anderen Bereiche.

Einsicht auf der Kirchen-Seite: Künstler leiden unter einer minderwertigen Gemeindekunst. Sie sind Fachpersonen, die in ästhetischen Fragen beratend beigezogen werden sollten.

Künstlerisches Schaffen ist ein oft unter Entbehrungen ausgeübter Beruf; die Entlöhnungsfrage ist deshalb ein wichtiges Thema. Zugleich ist das künstlerische Schaffen mehr als ein Beruf. Es ist eine intensiv gelebte ­und manchmal durchlittene Existenzform. Ein Künstler bedarf kreativer Freiräume und immer wieder auch Zeiten des Rückzugs, was manchmal als individualistische Abschottung missverstanden wird.

Der Künstler braucht das Zugeständnis eines innovativen Freiraums, in dem auch “Unorthodoxes” entstehen darf. Die Gestaltung scheinbar weltlicher Themen ist noch keine Absage an den Glauben. In seinem Ringen ist der Künstler auf Verständnis und Ermutigung angewiesen. Das Angewiesen-Sein auf Lob ist noch keine stolze Abkehr von der “Soli Deo Gloria“-Haltung.

Die Ausrichtung eines Künstlers auf die weltliche Kunstszene ist noch keine Absage an die Gemeinde; vielmehr findet er dort seine künstlerischen Qualitätsmassstäbe und ein Verständnis, das er in der Kirche oft vermisst. Künstler sind generell kreative Köpfe; warum sie nicht einladen, auch für andere Gemeindebereiche mitzudenken?

Lösungsansatz 2: Einsicht in die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit   Ein zweiter Schritt würde dort gemacht, wo Kunst und Kirche merken, dass sie eine segensreiche  Allianz eingehen können.

Denn auf der einen Seite brauchen Künstler die begleitende und betende christliche Gemeinschaft – sowohl innerhalb der Kirche wie auch in christlichen Künstler-Netzwerken. Die Herausforderungen im Kunstmarkt (Konkurrenzdruck, finanzieller Überlebenskampf) und manche innerpsychischen, potenziell Stress verursachenden Faktoren wie Perfektionismus und Sensibilität können belastend sein.

Dazu mag kommen, dass sich der christliche Kunstschaffende aufgrund seines Glaubens isoliert sieht, weil der Glaubensbezug in seinem Schaffen auf Unverständnis stösst oder weil er sich gegenüber mondänen Tendenzen in der Künstlergemeinschaft abgrenzt.

Auf der anderen Seite braucht die Kirche das kritische und kreative Ferment der Künstler. Zudem weiss sie, dass sie ohne Kunstverständnis und Kunst-Pflege nach innen hin verarmt und nach aussen hin weniger “attraktiv” ist. Sie erkennt, dass die Werke geistlicher Musik, Literatur, Malerei oder Architektur zu den unverzichtbaren geistlichen Schätzen unserer Kultur gehören, die – wie kaum eine andere Verkündigungsform – immer noch grosse Strahlkraft entfalten. Und schliesslich begrüsst sie, wenn christliche Künstler in der säkularen Kunstszene präsent sind und dort ein Stück “Reich Gottes” bauen helfen. Vielleicht könnten in speziellen Begegnungsforen – in Verbindung mit theologischen Symposien – Künstler und Kirchenverteter aufeinander zuzugehen.

Lösungsansatz 3: Konkrete Zusammenarbeit  Ein dritter Schritt würde zur konkreten Zusammenarbeit führen: zum Einbezug von Künstlern in die Kirche, in die Gottesdienste, in die Gestaltung der Kirchenräume, in die nach aussen gerichtete Arbeit, in die Freizeitgestaltung. (Dies kann wohl nur durch strukturelle Massnahmen geschehen, zum Beispiel durch die Einsetzung eines Gemeinde-Arbeitsbereichs “Kunst”, der von professionellen Künstlern oder profunden Kunstkennern geleitet wird.)

Der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den erwähnten Künstlernetzwerken und Künstlerinitiativen dürften nicht vernachlässigt werden, weil dort solche Fragen seit langem diskutiert und praktische Modelle erprobt werden. Finden Kunst und Kirche wieder zusammen, wird das Wort des Schriftstellers Gottfried Benns (1886 – 1956) hoffentlich endlich widerlegt werden, dass “Glaube ein schlechtes Stilprinzip” sei.


Dieser und der vorherige TUNE IN-Beitrag zu “Künstler in der Kirche / Teil VI” stammt aus der Stellungnahme zu “Kunst aus christlicher Sicht”, die ARTS+ und die Schweizerische evangelische Allianz veröffentlicht haben. | TUNE IN 134 vom 27. Juli 2015 | Unser Text ist von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier

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