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08.
Januar
2020

Wochentext von Matthias Krieg / Wharton

Ich habe neulich im Buch eines Modeautors gelesen, die Gespenster seien ver­schwun­­den, weil das elektrische Licht aufkam. Welch ein Unsinn! Der Autor, der auf dem Gebiet des Übernatürlichen gerne dilettiert, hat sein Thema nicht einmal ge­streift. Wenn es um turmbewehrte, von geköpften Opfern mit klirrenden Ketten be­wach­te Schlösser und komfortable Vorstadthäuser mit Kühlschrank und Zentralhei­zung geht, wo man, sobald man sie betritt, spürt: irgendwas stimmt hier nicht – ziehe ich für den Schauer, der einem über den Rücken läuft, letztere vor. Und ist es nicht auf­­fällig, dass es im allgemeinen nicht die Überempfindlichen und Phantasiebegab­ten sind, die Gespenster sehen, sondern die ruhigen, nüchternen Leute, die nicht an sie glauben und sicher sind, es würde ihnen nichts ausmachen, wenn sie eines sä­hen?

Edith Wharton, Allerseelen, englisch 1937.

Ja, es ist so. Der Intellektuelle, der sich für gebildet und aufgeklärt hält und sich da­her agnostisch oder atheistisch nennt, beschäftigt sich mehr mit Gott als der normale Fromme. Die Epoche, die sich für weitgereist und welt­­er­fahren hält und sich daher sä­­kular und areligiös nennt, pflegt an Halloween kelti­sche Geister und am Dia de los Muertos aztekische Götter. Die Po­pularkul­tur, die sich für befreit und ermächtigt hält und sich daher emanzipiert und autonom nennt, fällt bei Popkonzerten in Ekstase und singt Hymnen in Fankur­ven.

Ja, es ist so, achtzig Jahre nach Ghosts noch intensiver so: Das in­tel­lektuell, post­mo­­dern und nachchristlich unaufhörlich behauptete Verschwundensein von Religi­on för­dert die Rück­kehr der Geister durch je­de nur denkbare Hintertür. Die emanzi­pier­te Ame­rikanerin bringt es gleich zu Beginn auf den Punkt: Ein Modeautor verbrei­tet in einem Bestsel­ler diesen Unsinn, weil er Mode ist und sich gut verkauft. Er dilet­tiert ger­ne, weil sich das rechnet. Man will es so haben. Man bekommt es.

Ja, es ist so. Der blutrünstige Film, der einen Horror aus ferner Vergangenheit oder fer­ner Zukunft aufdringlich beschwört, so steretyp und redundant, dass das Blut von der Kinoleinwand tropft, lässt mich kalt und langweilt, während der lang­sa­me Film, der eine Banalität des Alltags erzählt, in die jäh zwei Blutstropfen fallen, dem Schüler, der gerade hineinbeissen will, von oben aufs Pausenbrot, mir einen Schauer über den Rücken jagt und meine Vorstellungskraft erhitzt.

Reduktion statt Redundanz, Differenz statt Stereotypie: Das alte Rezept für Kultur, die nicht dilettiert, statt neuer Zivilisation, die gebildet tut, ist das eine. Das andere sind Erklärungen, die als passe-par-touts weitergereichert und nie hinterfragt wer­den, weil sie so unmittelbar einzuleuchten scheinen: Gespenster seien ver­schwun­­­den, weil das elektrische Licht aufkam. In technologischer Attitüde ist dies derselbe Un­sinn, den es auch in philosophischer Attitüde gibt: Die Epoche der Auf­klärung, the Age of Enlightenment, le Siècle des Lumières habe allen, die denken, das Licht der Erkenntnis gebracht und das Mittelalter als finster entlarvt.

Die Stärke des Unsinns ist seine Beliebtheit. Sie nährt ihn von Generation zu Gene­ration. So wird er zum Instrument geistiger Gängelung, das jeder gerne benutzt, der sich gerne herrschen sieht. Beispiele von 2020 ähneln denen von 1937.

Dabei wäre aus der finsteren Welt der Alten mancherlei Auf­­klärung zu holen. Prome­theus etwa, der vorausdenkt statt hinterher, bringt den Menschen das Feuer gegen den Willen der Götter. Zur Strafe wird er an eine Steilwand des Kaukasus gefesselt, wo ihm regelmässig ein Adler die nachwachsende Leber wegfrisst. Erleuchtung und Erkenntnis sind das Geschenk eines leidenden Gottes! Es zu leugnen, auch den, der sagt, er sei das Licht der Welt (Joh 8,12), ist und bleibt dilettierender Unsinn.

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Künstlerportrait

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Micha Aregger

Skulptur, Installation, Malerei, Bildende Kunst, Objekte
Aufgewachsen bin ich in Buttisholz. Nach einer technischen Berufslehre, studierte ich 5 Jahre an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern und schloss 2004 ab. In der darauffolgenden Zeit hat sich, durch das wachsende Interesse an Naturwissenschaften, meine charakteristische, organische
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