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“Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich en einem kalten Wintertage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte.
Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so da sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.
So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte.
Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! – Vermöge derselben wird zwar das Bedürfnis gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden.”
Wir kennen das doch nur zu gut: Gemeinschaft ist manchmal sehr verletzend. Wir alle sind von anderen Menschen schon unzählige Male verletzt worden. Auch sensible Künstler! Wie reagieren wir dann? Gehen wir zu anderen Menschen auf Abstand? Dann wird es kalt – sowohl in unserem eigenen Leben als auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Es gibt eine passive Aggressivität die sich durch Verweigerung und durch eine grundsätzlich negative Haltung auszeichnet.
Oder reagieren wir aktiv aggressiv, indem wir andere ebenfalls verletzen? Auch sensible Künstler können übrigens aggressiv sein. Oder lassen wir Aggressionen in uns aufstauen, bis sie sich dann auf destruktive Weise ihren Weg bahnen – vielleicht in unvermittelten Ausbrüchen, vielleicht in offener Ablehnung eines Nächsten, oder auch in der Wut gegen sich selbst. Oder künstlerisch …
Schopenhauer kommt zum Schluss: “Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen.” Dies ist ein dritter Weg, den nicht nur Philosophen manchmal beschreiten: Sie stellen sich über die anderen Menschen, sprich: über die gewöhnlichen Stachelschweine mit ihren niedrigen Bedürfnissen, weil sie sich etwas Besseres fühlen.
Einen vierten Weg zeichnet uns die Bibel vor. Dort heisst es (in Philipper 2,5-11): “Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war: Der, obwohl er in göttlicher Gestalt war, nicht daran festhielt, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm. Er wurde gleich wie ein andrer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden; er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.
Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der HERR sei, zur Ehre Gottes, des Vaters.”
Christen glauben: Jesus verliess freiwillig und aus Liebe zu den Menschen die himmlische Herrlichkeit. Er brachte ihnen Gottes “Wärme”. Er liess sich, mit Schopenhauer gesprochen, von den Stacheln anderer nicht abhalten, sondern sogar verletzen und töten. Aber er selber – zeigte keine Stacheln. Im Gegenteil: Die Stacheln vieler Menschen fielen in der Begegnung mit ihm ab. Denn die Liebe Gottes ist stärker als jede Aggression, und ihre Kraft ist grösser als die grösste dämonische Macht.
Gebet: Herr, ich wurde so oft verletzt. Darum brauche ich deine Heilung. Und ich habe auch selber andere oft verletzt. Darum brauche ich deine Vergebung. Ich bitte um beides.
Hilf mir immer wieder, “gesinnt zu sein, wie Jesus auch war …”
Hilf mir, Aggression mit Liebe zu beantworten. Und menschliche Kälte mit furchtloser Nähe.
Lass mich und lass meine Nächsten erfahren: Die von Dir her kommende Liebe ist stärker als jede andere Macht. Lass auch meine Kunst von dieser Kraft durchdrungen sein und davon sprechen.
Amen.
TUNE IN 144 vom 4. Oktober 2015 | Unser Text ist von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier