Der Live-Abend zu KREUZWEISE – Ein Zusammenspiel von Gedanken, Bildern & Musik
Kulturhalle Glärnisch, Wädenswil
Geduld gehört zu den wichtigsten Eigenschaften, die sich ein Künstler aneignen muss. Wie viele tausende Stunden verbringen Musiker, Schauspieler oder Tänzer mit Auswendiglernen und Proben? Was für die interpretierenden Künste, die „performing arts“ gilt, lässt sich auch von den anderen Künsten sagen. Kreativitätsforscher sprechen von drei Phasen im künstlerischen Schaffensprozess: 1. Inspirationsphase
2. Elaborationsphase
3. Dritte Phase – Wechsel von Inspiration und Elaboration.
Zumindest die zweite und dritte Phase erfordern Geduld. Eine Idee muss sorgfältig ausgeführt werden. Vieles wird dabei verworfen, und der Abfalleimer erweist sich dabei als unentbehrliches Arbeitsmittel…
Es lohnt sich, als Künstler über Geduld nachzudenken. Und sich zu fragen: “Was ist und woher kommt Geduld? Wie kann sie noch weiter wachsen? Bin ich auch sonst geduldig, wenn es um andere Dinge als um die Kunst geht?” In diesem und auch im folgenden TUNE INs wollen wir darauf eingehen.
Die erste Frage lautet: Was ist Geduld?
In der griechischen Bibel wird, wo von Gottes Geduld (oder Langmut) die Rede ist, das Wort MAKROTHYMIA gebraucht. Makro heisst gross. Thymia ist ein Wort für „Leidenschaft“ oder „Gefühle“. (Die Thymusdrüse gilt schliesslich als Sitz der Gefühle). Man könnte das Wort übersetzen mit „Grossherzigkeit“.
Das heisst: Im Herzen Gottes hat viel Platz. Sogar wir Menschen mitsamt unseren Fehlern haben darin Platz, weil Gott uns liebt. Darum ist Gott geduldig.
Ein enges Herz dagegen hat nur gerade genügend Platz für Fehler. Für die Fehler anderer Menschen oder auch für unsere eigenen Fehler. Und deshalb ist dieses Herz weder geduldig noch freundlich, wie Paulus die Liebe beschreibt (1.Korinther 13,4), sondern oft recht ungeduldig und unfreundlich. Und deshalb ist es auch selten „barmherzig und gnädig, geduldig und von grosser Güte“ (Das Gotteslob im Psalm 103,8), sondern tendenziell eher „ungeduldig und unbarmherzig“, vielleicht sogar gnadenlos. Geduld ist hingegen der „lange Atem der Leidenschaft“, sagt der Theologe Eberhard Jüngel.
Wir könnten nun fragen: „Als Künstler habe ich einen langen Atem. Ich bin zwangsläufig geduldig, weil ich etwas erreichen will. Aber habe ich auch einen „langen Atem der Leidenschaft? Kenne ich eine Art „grossherzigige Geduld“ – als Künstler und Mensch? Oder sehe ich vor allem meine Fehler? Leide ich vielleicht deswegen unter Perfektionismus, künstlerischen Blockaden und Lampenfieber? Woher kommt eine gewisse ungeduldige Engherzigkeit in meinem Leben? Wer und was hat mich so geprägt? Welche Vorbilder stehen mir vor Augen? Wie kann ich nun lernen, geduldig mit mir und meiner Kunst (und mit anderen) zu werden, wie Gott geduldig ist? Es ist ja unfassbar, dass der heilige Gott mit mir nicht perfektionistisch umgeht…!“
Vielleicht nimmst du Dir jetzt – mitten im Arbeitsdruck – einige Minuten Zeit (und Geduld), um darüber nachzudenken.
Text: Beat Rink