Mit Kunst und Musik durch die Psalmen mit Gott in Dialog treten
Friesenberg Kirche Zürich, Bus 32, 89, 73 bis Bushaltestelle Friesenbergstrasse
Man hört immer wieder den Satz, dass Künstler die heutigen Propheten seien. Gemeint ist dabei: Künstler sind die wirklichen Propheten, die jene der Kirchen abgelöst haben. Wie antwortet man auf ein solch etwas zweifelhaftes Lob, in dem zugleich ein gewaltiger Anspruch steckt? Gut ist, wenn wir uns (auch im Anschluss an die beiden vorigen TUNE INs) fragen: Prophetie, was ist das eigentlich?
In TUNE IN 203 wurde gesagt: Gottes „verborgener Wille“ ist uns grundsätzlich unzugänglich – anders als sein „offenbarter Wille“, wie er sich vor allem in den 10 Geboten äussert. Es ist gut, die beiden nicht miteinander zu verwechseln oder zu vermischen. Und es ist wichtig, dass wir unser Leben nicht auf die Erschliessung verborgener Geheimnisse ausrichten, sondern auf das Befolgen von Gottes guten Ordnungen, deren beste Zusammenfassung das Doppelgebot der Liebe ist: „Liebe Gott … und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Warum gibt es aber in der Bibel Prophetie und warum wird sogar den Christen empfohlen: Strebt danach, „dass ihr prophetisch redet“ (1.Korinther 14,1) ?
Um mit einem Bild zu sprechen: Wenn die Liebe Gottes der Motor unseres Lebens ist und die Gebote eine Hilfe sind, auf der Strasse zu bleiben und nicht abzustürzen – sozusagen die Schranken links und rechts am Wegrand -, so ist das prophetisches Wort “ein Licht auf dem Weg” (analog zum Gotteswort in Psalm 119,105). Vielleicht erhellt es die nächste Wegstrecke oder deutet die weit vor uns liegende Landschaft an (wie die Offenbarung). Darin liegt ein Trost, eine Ermutigung – oder auch eine Warnung. Interessant ist aber, dass Paulus die Voraussage seiner Gefangennahme in Jerusalem nicht als eine Warnung versteht, sondern als Vorbereitung – und trotzdem nach Jerusalem zieht!
Nun ist aber bei „Prophetie“ grosse Sorgfalt geboten. Sie kann so leicht manipulativ eingesetzt werden. Und sie ist so anfällig für Täuschungen. So hat uns in der Seelsorge einmal eine junge Musikstudentin gesagt: „Heute haben mir drei junge Männer einen Antrag gemacht. Und alle drei meinten: Gott hat zu mir gesprochen, dass du die Frau für mein Leben bist!“
Wichtig scheint mir die Aussage in Epheser 4,11 ff.: „Er hat die einen zu Aposteln gemacht, andere zu Propheten, andere zu Evangelisten, wieder andere zu Hirten und Lehrern der Gemeinde. Deren Aufgabe ist es, die Glaubenden zum Dienst bereitzumachen, damit die Gemeinde, der Leib von Christus, aufgebaut wird… Wir sind dann nicht mehr wie unmündige Kinder, die kein festes Urteil haben und auf dem Meer der Meinungen umhergetrieben werden wie ein Schiff von den Winden. Wir fallen nicht auf das falsche Spiel herein, mit dem betrügerische Menschen andere zum Irrtum verführen.“
Das heisst: Zusammen mit anderen Ämtern (und zusammen mit anderen Geistesgaben) verhilft die Prophetie den Glaubenden und der gesamten Gemeinde zum Dienst und zum Leben mit Christus und für Christus.
Wird Prophetie nicht-manipulativ, mit Reife, Sorgfalt, Selbstkritik (!), Liebe und vor allem immer im Blick auf Christus und den geistlichen Dienst ausgeübt, so ist sie sehr kostbar. Sie ist dann das Gegenteil von heidnischer Wahrsagerei!
Kann nun Kunst prophetisch sein? Kunst kann tatsächlich erhellend wirken. Sie kann etwas ans Licht bringen und sichtbar und hörbar machen, was unserem Erkennen – unserem Denken und Fühlen – bisher verborgen war. Sie gibt dann vielleicht nicht unbedingt ein Reden Gottes weiter, sondern eher eine „säkulare Prophetie“. „Über das Geistige in der Kunst“ heißt die berühmte Schrift Kandinskys von 1912. Ihre Hauptaussage: In der Kunst wird etwas sichtbar, was man sonst nicht sehen kann: das Geistige. Solche künstlerische Prophetie ist nicht dasselbe wie die in der Bibel beschriebene Prophetie.
Allerdings können wir nicht ausschliessen, dass Kunst auch ein Sprachrohr Gottes sein kann – ob sie nun von einem Christen geschaffen wurde oder nicht. Und es kann nicht falsch sein, darum zu beten, dass unsere Kunst erhellend wirken möge – und dass sie ein Licht auf dem Weg – im besten Fall ein Licht, das von Gott her kommt und von ihm „spricht“.
Text: Beat Rink