1 Hallelujah. Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner starken Feste.
2 Lobt ihn um seiner machtvollen Taten willen, lobt ihn in seiner gewaltigen Grösse.
3 Lobt ihn mit Hörnerschall, lobt ihn mit Harfe und Leier.
4 Lobt ihn mit Trommel und Reigentanz, lobt ihn mit Saiten und Flöte.
5 Lobt ihn mit klingenden Zimbeln, lobt ihn mit schallenden Zimbeln.
6 Alles, was Atem hat, lobe den HERRN. Hallelujah.

(mehr …)

Ein für seine Predigtgabe bekannter finnischer Pfarrer hielt in einer grossen Kirche eine Abdankung. Es wurde um eine berühmte Persönlichkeit getrauert, und die Christen erwarteten eine Predigt, die alle berühren würde.

Der Pfarrer begann in gewohnter Weise mit einer ausgezeichneten Rede. Aber auf einmal brach der rote Faden ab. Ein völlig neuer Gedanke tauchte auf, und machte, ohne gross entfaltet zu werden, schon einem nächsten Platz. Und das ging weiter so: insgesamt fünf Themen wurden aufgegriffen und wieder fallengelassen… Es war eine völlig misslungene Predigt! (mehr …)

In der Predigt unserer  Kirche Kreativ der vergangenen Woche ging es u.a. um folgende Parabel von Arthur Schopenhauer (1788 – 1860).

“Eine Gesellschaft Stachelschweine drängte sich en einem kalten Wintertage recht nah zusammen, um sich durch die gegenseitige Wärme vor dem Erfrieren zu schützen. Jedoch bald empfanden sie die gegenseitigen Stacheln, welches sie dann wieder von einander entfernte.

Wann nun das Bedürfnis der Erwärmung sie wieder näher zusammenbrachte, wiederholte sich jenes zweite Übel, so da sie zwischen beiden Leiden hin und her geworfen wurden, bis sie eine mäßige Entfernung voneinander herausgefunden hatten, in der sie es am besten aushalten konnten.

So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab. Die mittlere Entfernung, die sie endlich herausfinden, und bei welcher ein Beisammensein bestehen kann, ist die Höflichkeit und feine Sitte.

Dem, der sich nicht in dieser Entfernung hält, ruft man in England zu: keep your distance! – Vermöge derselben wird zwar das Bedürfnis gegenseitiger Erwärmung nur unvollkommen befriedigt, dafür aber der Stich der Stacheln nicht empfunden.”  

Wir kennen das doch nur zu gut: Gemeinschaft ist manchmal sehr verletzend. Wir alle sind von anderen Menschen schon unzählige Male verletzt worden. Auch sensible Künstler! Wie reagieren wir dann? Gehen wir zu anderen Menschen auf Abstand? Dann wird es kalt – sowohl in unserem eigenen Leben als auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen. Es gibt eine passive Aggressivität die sich durch Verweigerung und durch eine grundsätzlich negative Haltung auszeichnet.

Oder reagieren wir aktiv aggressiv, indem wir andere ebenfalls verletzen? Auch sensible Künstler können übrigens aggressiv sein. Oder lassen wir Aggressionen in uns aufstauen, bis sie sich dann auf destruktive Weise ihren Weg bahnen – vielleicht in unvermittelten Ausbrüchen, vielleicht in offener Ablehnung eines Nächsten, oder auch in der Wut gegen sich selbst. Oder künstlerisch …

Schopenhauer kommt zum Schluss: “Wer jedoch viel eigene, innere Wärme hat, bleibt lieber aus der Gesellschaft weg, um keine Beschwerde zu geben, noch zu empfangen.” Dies ist ein dritter Weg, den nicht nur Philosophen manchmal beschreiten: Sie stellen sich über die anderen Menschen, sprich: über die gewöhnlichen Stachelschweine mit ihren niedrigen Bedürfnissen, weil sie sich etwas Besseres fühlen.

Einen vierten Weg zeichnet uns die Bibel vor. Dort heisst es (in Philipper 2,5-11): “Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war: Der, obwohl er in göttlicher Gestalt war, nicht daran festhielt, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt annahm. Er wurde gleich wie ein andrer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden;  er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.

Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, daß Jesus Christus der HERR sei, zur Ehre Gottes, des Vaters.”

Christen glauben: Jesus verliess freiwillig und aus Liebe zu den Menschen die himmlische Herrlichkeit. Er brachte ihnen Gottes “Wärme”. Er liess sich, mit  Schopenhauer gesprochen, von den Stacheln anderer nicht abhalten, sondern sogar verletzen und töten. Aber er selber – zeigte keine Stacheln. Im Gegenteil: Die Stacheln vieler Menschen fielen in der Begegnung mit ihm ab. Denn die Liebe Gottes ist stärker als jede Aggression, und ihre Kraft ist grösser als die grösste dämonische Macht.

Gebet: Herr, ich wurde so oft verletzt. Darum brauche ich deine Heilung. Und ich habe auch selber andere oft verletzt. Darum brauche ich deine Vergebung. Ich bitte um beides.

Hilf mir immer wieder, “gesinnt zu sein, wie Jesus auch war …”

Hilf mir, Aggression mit Liebe zu beantworten. Und menschliche Kälte mit furchtloser Nähe.

Lass mich und lass meine Nächsten erfahren: Die von Dir her kommende Liebe ist stärker als jede andere Macht. Lass auch meine Kunst von dieser Kraft durchdrungen sein und davon sprechen.

Amen.


TUNE IN 144 vom 4. Oktober 2015  | Unser Text ist von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier

Den schottischen, in Würzburg lebenden Musiker Bill Buchanan kennen unsere Leser als Übersetzer. Hier möchten wir ihn selber näher vorstellen und seine Ansichten zum Thema “Schönheit” erfahren.  

(mehr …)

“Der Kirchenmusiker muss runter von der Empore und mit diesen Menschen unten einen Teppich weben.” Ein Gespräch mit dem Musiker Uwe Steinmetz über Erde, Himmel, gelebte Blue Notes und die Zukunft wahrer Kirchenmusik.* Im Interview die Hör-Empfehlung von Uwe Steinmetz: Charles Mingus Moanin’, Blue Notes im Jazz.

 

Im TUNE IN 138 war die Rede davon, dass der Unterricht (auch in Kunst-, Ballett-, Schauspiel- und Musikschulen) nicht sklavisch einem absoluten Qualitätsanspruch folgen darf, der blind macht für die individuellen Begabungen der Schüler und Studenten. In einem interessanten Interview sagt der Jazzmusiker und Mit-Begründer von “Crescendo Jazz”, Uwe Steinmetz, ähnliches mit Blick auf das Thema “Musik in der Kirche”.

Dahinter steht eine wichtige theologische Einsicht und Erfahrung: Gott geht es um das einzelne Gegenüber, nicht um die Masse. Er geht auf jeden Menschen persönlich ein. Das ist das Wesen der Liebe. Dies wird etwa deutlich, wo in der Bibel vom “Namen” die Rede ist.

Der Name steht für die unverwechselbare Persönlichkeit: “Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!” (Jesaja 43,1). “Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind” (Jesus zu seinen Jüngern in Lukas 10,20).

TUNE IN 139: Der Musiker Uwe Steinmetz im Interview

TUNE IN 139: Der Musiker Uwe Steinmetz im Interview

Die Frage ist, ob wir zulassen, dass Gott uns “beim Namen nennt”. Er hat keinen Absolutheitsanspruch an uns! Die zweite Frage lautet dann, ob wir auch andere in ihrer Persönlichkeit schätzen und ernstnehmen und ob wir mit “gottgeschenkter Liebe” auf sie eingehen. Das wird auch unser pädagogisches Verhalten als Künstler prägen. Oder die Arbeit mit Laien in der Kirche, wie Uwe Steinmetz ausführt.

 

 

Der Blues hat eigentlich religiöse Wurzeln? Ja, in mehrfacher Hinsicht. Die Gesangstechniken kamen zu dieser Zeit aus dem Gospel der schwarzen Kirchen, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildeten. Und dann haben die Sänger sich selber auf der Gitarre begleitet, neue Spieltechniken erfunden und so eine ganze Band ersetzt.

In sehr kurzer Zeit ist so ein bestimmter Musikstil entstanden und zwar aus der Notwendigkeit heraus, eine persönliche Botschaft zu formulieren, egal ob ich eine Band habe oder nicht. Diese Wurzel ist auch im Jazz erhalten geblieben, die Notwendigkeit zum eigenen Ausdruck.

So gesehen ist Jazz also die ideale protestantische Kirchenmusik…  Die Musik in unseren Kirchen 
ist noch stark von den festen Formen beeinflusst und besitzt relativ wenig Freiheit. Es gibt Noten, es gibt Lehrmeinungen und klare Vorbilder, wie die Musik zu klingen hat.

Dieses Ideal versucht man dann mit der Kantorei oder dem Bläserchor oft unter grossem Stress zu erreichen. Oder man lässt ein Raumschiff in der Kirche landen, indem man Geld für besonders gute Musiker ausgibt und eine Bachkantate mit ihnen virtuos aufführt. Und man meint, damit in einer langen Tradition zu stehen.

Aber so haben Bach oder Monteverdi gar nicht gearbeitet. Die haben relativ spontan musiziert, auch im Gottesdienst schnell mal ein neues Stück ohne langes Proben gesungen. Das klang bestimmt nicht immer virtuos. Aber diese Musik war verbunden mit dem Ort und der Situation.

Ist denn diese Verbundenheit wichtig für Kirchenmusik? Ich denke schon. Kirchenmusik sollte so sein wie eine Predigt, die Leute an den Ort bindet, etwas Lokales erlebbar macht, sie muss immer wieder neu aus dem Moment heraus entstehen.

Ich sehe den idealen Kirchenmusiker nicht als Gralshüter der Traditionen, sondern eher als eine Art musikalischen Direktor, der schaut, welche Menschen in seiner Gemeinde musikalisch Gottesdienste gestalten können.

Er muss runter von der Empore und mit diesen Menschen unten einen Teppich weben, mit allen Aspekten und auch Fehlbarkeiten. Dann entsteht etwas Authentisches und Kollektives, das eben nur diese Menschen an diesem Ort gemeinsam schaffen.

Wenn auch den Zuhörern deutlich wird, dass es nicht so sehr um Perfektion geht, sondern um das Situative, das Authentische, gibt das ein Gefühl von Heimat, weswegen sie gerne wieder in die Kirche kommen. Das klingt traditionell, ist es aber nicht, weil es gar nicht mehr so oft stattfindet.

Haben Sie das schon mit ihren eigenen Projekten erlebt? Sie spielen ja immer wieder in Kirchen gemeinsam mit musikalischen Laien… Ja, und es ist fast immer eine Bereicherung für beide Seiten. Ich hatte ein tolles Erlebnis
 im vergangenen Jahr im Alten Land bei Hamburg mit unserem Ensemble Waves. Die Chorleiterin war Lehrerin, aber der Chor bestand überwiegend aus Bäuerinnen und Bauern, die von diesen wunderschönen alten Höfen kamen.

Und mit denen haben Sie Jazz in der Kirche gemacht? Das war die Vorlage, ein gemeinsames Konzert in der Kirche. Wir mussten erstmal schauen, was zusammengeht. Dreistimmiger Gesang haute nicht hin, zweistimmig klappte es auch nicht recht, dann hat der Chor eben einstimmig gesungen.

Und das hat er grossartig gemacht: Fünfzig erwachsene Menschen, Bäuerinnen und Bauern mit all ihrer Erdung und Erfahrung, die mitklang – das war die totale Power.

Welche Stücke haben Sie mit diesem Chor gesungen? Lieder, die alle kannten, auch Volkslieder, aber wir haben die Stücke dann neu bearbeitet, 
auf einer Orgel mit alter Stimmung begleitet. Wir haben versucht, den Raum zu nutzen.

Ich lasse Menschen gerne improvisieren, bitte sie, zwei Wörter aus dem Liedtext zu nehmen, vielleicht auch aus einem Psalm, die ihnen besonders viel sagen, zum Beispiel Sonne oder Regen. Und dann sollen sie aussprechen, was sie denken, diese Gedanken immer wiederholen, es den Leuten zusprechen. So entsteht ein kollektiver Improvisationsprozess.

Wir kamen dann auf fallende Mauern, was sich in der Biographie der Leute niedergeschlagen hatte, weil nach dem Mauerfall viele Tschechen und Polen als Erntehelfer zu ihnen kamen. Damit war das Eis gebrochen und wir haben tolle gemeinsame Musik gemacht.

Aber diejenigen, die Kirchenmusik nach den klassischen Kriterien beurteilen, folgen Ihnen nicht immer. Nein, natürlich haben wir auch Kritiker, die uns danach beurteilen, wie nah wir dem vermeintlichen Ideal der Perfektion
in Punkto Klangreinheit und Tonhöhe kommen. Und wir kassieren auch Verrisse, die wir vielleicht verhindern könnten, wenn wir nur mit Profis arbeiten würden. Aber die reale Kirchenmusik ist anders, und sie muss es auch sein.

Es ist bedeutsam, wenn sich ein Chor mit für ihn ungewöhnlicher Musik auseinandersetzen muss, sich daran reibt, sich auch aufregt. Aber am Ende findet man sich dann doch zusammen. Und wenn ich die Aufnahmen höre, erinnere ich mich an diesen Prozess, an das Menschliche in der Musik, das Blues-Element, das nur in dieser Situation mit diesen Menschen möglich war. Das sind gelebte Blue Notes. Und die gilt es zu stärken!


* “Wir sind dem Blues sehr nahe”. Gespräch mit dem Musiker Uwe Steinmetz über Erde, Himmel, gelebte Blue Notes und die Zukunft wahrer Kirchenmusik, erschienen im Magazin Zeitzeichen, Nr. 08/2015 | TUNE IN 139 vom 30. August 2015  | Unser Text ist von Uwe Steinmetz (Saxophon), Berlin, Mitbegründer und Co-Leiter von “Crescendo Jazz” | Übersetzung, Bill Buchanan | Weitere TUNE INs findest Du hier

In vielen Ländern beginnt in diesen Tagen ein neues Schul- und Studien-Semester. Das Thema “Pädagogik” ist natürlich auch für den Kunstbereich sehr wichtig. Und da viele TUNE IN-Leser entweder Studenten oder Dozenten an Musik-, Theater- oder Kunsthochschulen sind, hier einige Gedanken zum Thema.*  

 

1. Zunächst ist offensichtlich, dass sich der heutige Kulturbetrieb, nicht zuletzt geprägt von den Gesetzen von Markt und Werbung, stark auf die “Performance” ausrichtet. Auf der Bühne werden Stars geboren! Ja, Stars vielleicht! Aber gute Künstler werden in den Schulen geboren. Wer bejubelt dann konsequenterweise all jene Lehrer, die mit viel Können, Geduld und selbstlosem Einsatz die Begabungen ihrer Schüler fördern?

2. Lehrer müssten übrigens auch dort bejubelt werden, wo keine grossen Künstler geboren werden! Denn es kann niemals das ausschliessliche Ziel der Pädagogik sein, eine Elite heranzubilden. Der Flötist Christian Studler, Professor an der Musikhochschule Bern und seit Jahren Dozent im “Crescendo Sommerinstitut”, wirft immer wieder die Frage auf: “Was ist ‘jesus-mässige’ Pädagogik?” Und er betont: “Es ist jene Pädadgogik, die auf die Einzigartigkeit des Schülers eingeht und die jeden in seinen Stärken fördert.”

Christian Studlers pädagogisches Arbeiten, das diesen Grundsatz sehr konsequent durchsetzt, stösst übrigens gerade in solchen Ausbildungsstätten auf reges Interesse, wo ein ausgeprägtes Elitedenken herrscht oft im Widerspruch zur Staatsmaxime.

Obwohl Studlers un-elitärer Ansatz zu jeder guten Pädagogik gehört und obwohl viele Lehrer ebenso arbeiten, muss man fragen: Wie konsequent wird dieser Grundsatz befolgt? Wie können die Lehrer immer wieder die innere Kraft aufbringen und gegen den Strom des Elite-Denkens schwimmen, das ihnen von der Schulleitung und von den Eltern entgegenkommt? Wie gelingt es ihnen, die (vermeintlich) schwächer Begabten vor Überforderung und Entmutigung zu schützen? Und wie gelingt es ihnen, die (vermeintlich) höher Begabten vor dem Gift des Hochmuts zu bewahren, das früher oder später nicht nur ihrem Charakter, sondern auch ihrer Kunst zusetzen wird?

Christen wissen: Die innere Kraft für eine “jesus-mässige” Pädagogik lässt sich nur durch den grossen Lehrmeister selber gewinnen. Dieser stellt alles hochmütige Denken auf den Kopf, wenn er etwa sagt: “Lasst die Kinder zu mir kommen.” (Matthäus 19,14) Oder: “Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so könnt ihr nicht ins Himmelreich kommen.” (Matthäus 18,3)

Ausgerechnet wie Kinder, die in der damaligen Zeit als notendiges Übel galten! Jesus wendet sich auch scharf gegen das Elite-Denken, das unter den religiösen Führern und sogar unter seinen Jüngern herrscht. Und vor allem: Er sucht nicht danach, selber bejubelt zu werden. “Jesus, der Lehrer” lautet der Titel eines bedeutsamen neutestamentlichen Buches von Rainer Riesner.

Ja, Jesus war ein grosser Rabbi und die Jünger sozusagen seine Schüler. Er förderte diese “Schüler” kosequent in ihren Stärken. So machte er zum Beispiel den Fischer Petrus, der mit einem starken Willen und Eifer (wenn nicht gar Über-Eifer) ausgestattet war, zum eifrigen Menschenfischer. Oder er berief den einfühlsamen Johannes zum Ersatz-Sohn seiner Mutter.

3. Warum verhiess Jesus aber demselben Petrus, der ihn so schmählich verleugnete: Du bist der “Fels, auf dem meine Kirche bauen will” (Matthäus 16,18)? Konnte das sein Ernst sein oder war es bloss ein Wortspiel (Petrus=Fels)? Felsenfeste Treue war gerade nicht die Stärke des Petrus! Was Jesus hier einsetzte, war wohl das pädagogische Prinzip “Hoffnung”.

Jede gute Pädagogik sieht im Schüler ein verborgenes, unentdecktes Potential. Oder war es bei Jesus doch noch mehr? Sicher: Jesus hoffte nicht einfach “aus Prinzip”, sondern er vertraute auf das Wirken des Heiligen Geistes, der in Menschen Gaben erwecken kann – und der seinen “Schülern” sogar Gaben schenkt, die vorher nicht da waren. Was hat dies nun aber noch mit menschlicher Pädagogik zu tun? Für den Lehrer, der seinen Unterricht immer wieder betend gestaltet und auch für den Studenten, der nicht nur vom Lehrer, sondern letztlich von Gott Hilfe erwartet, sehr viel !

Fragen:

  • Welche der genannten Aspekte sprechen dich besonders an?
  • Was willst du davon im Blick auf das kommende Semester umsetzen?

Kleide, was dir in den Sinn kommt, in ein Gebet.    


* Zu diesem Thema gibt es vom 18. – 21.Februar eine internationale “Crescendo Music Teachers Conference” – für Musiklehrer und auch für Studenten, die sich musikpädagogisch ausrichten. Die Konferenz wird auf Englisch gehalten. Topics include:  Music teaching that makes a difference to the community. Teachers from different countries share about their teaching / What’s different in our teaching? Taking God with you to the lesson, teaching as a form of worship / Learn from Jesus- the greatest teacher / The pupil- wonderfully made by God, helping young musicians discover their talent and worship God / How do we deal with criticism and challenges? Für weitere Informationen schreibe eine Mail an Uta Mulenga, Crescendo UK.

TUNE IN 138 vom 24. August 2015 | Das Gespräch mit Rosemary Hardy führte Beat Rink,  Präsident von ARTS+ © Crescendo 2007/2015 | Weitere TUNE INs findest Du hier |

 

Interview mit der Sopranistin Rosemary Hardy

Rosemary, wann hast du zu singen begonnen und wie verlief deine Laufbahn? Ich erinnere mich sehr genau an eine Begebenheit – ich war noch nicht einmal vier Jahre alt. Ich hörte eine Opernsängerin am Radio und sagte sehr resolut: “Einmal werde ich so singen wie die!”

Ich war sehr überzeugt davon und brachte meine Eltern mit meinem Entschluss in einige Schwierigkeiten. Sie mussten für ihre achtjährige Tochter eine Lehrerin suchen, obwohl man ihnen sagte, Gesangsunterricht sei eigentlich erst etwas für Siebzehnjährige. Sie fanden eine wundervolle Lady, Mrs. Stevenson, die mir nun die ersten musikalischen Schritte zeigte.

Musik war schon damals meine ganze Welt. Mit sechzehn fuhr ich dann zu einem Vorsingen an das “Royal College of Music” in London. Eine der dortigen Professoren fragte verwundert: “Solltest du in deinem jugendlichen Alter nicht noch etwas länger zur Schule gehen?” Ich gab zur Antwort: “Das wäre totale Zeitverschwendung. Ich möchte singen, nur singen!” So nahmen sie mich auf.

Danach studierte ich zwei Jahre im kommunistischen Ungarn an der Franz Liszt-Akademie. Zurück in London sang ich in professionellen Chören und “Consorts”, also in Gruppen von fünf bis sechs Sängern. Ich war im Dela-, im Purcell- und im Wilby-Consort zusammen mit Peter Pears. Diese Consorts verhalfen mir zu einer enormen musikalischen Erfahrung. In den 1970-er Jahren begann ich als Barock-Solistin, wollte mich jedoch später weiterentwickeln und wandte mich ganz der modernen Musik zu.

Wie wirkten die geistlichen Inhalte der Barockwerke auf dich? Ich war sehr wütend auf die Kirche, hatte aber nichts gegen die Texte. Einmal wäre ich in einem Gottesdienst beinahe aufgestanden und hätte eine Schimpftirade losgelassen.

Wie hast du die Musikwelt erlebt? Die Musikwelt ist eine enorm grosse Welt. Man findet sicher auch gute Freunde, aber ein grosser Teil ist ungeheuer weltlich. Es geht um Erfolg und Geld. Sogar grösste Musiker sind davon völlig eingenommen.

Was ich beobachte: Viele Sänger verlieren unter dem konstanten Druck die Freude. Der Druck heisst: “Ich muss berühmt werden! Ich muss mehr Geld verdienen! Ich muss die beste Rolle haben!” Ich hatte nicht das Bedürfnis und auch nicht die Energie für Kämpfe solcher Art, obwohl ich mit meiner Stimme beste Engagements bekam – und wohl noch bessere hätte bekommen können.

Nein, ich stand in anderer Hinsicht unter Druck: Da ich Musik des 20. Jahrhunderts sang, war ich musikalisch bis aufs Äusserste gefordert. Aber sie hat mir zum Teil auch geholfen. Ich ging durch schreckliche Zeiten, in der ich in der Ehe seelische Gewalt litt. Da kam ich auf den Gedanken: “Musik könnte dich heilen.”

Ich begann, anders zu atmen und konzentrierter zu singen. Das tat mir gut. Und dann kann Musik ja auch tiefe Gefühle der Freude und des Schmerzes ausdrücken, für die man oft keine Worte findet. Und dies kann irgendwie heilend wirken.

Du hast vorhin von Kämpfen gesprochen, durch die Du hindurch musstest. War der Weg zum Glauben auch so ein Kampf? Ein unerhört starker Kampf! Meine Ehe war, wie gesagt, zu einer Katastrophe geworden, und ich musste mich von meinem Mann trennen. Da ich das eigentlich nie gewollt hatte, erlebte ich einen persönlichen Zusammenbruch.

Ich litt ungeheure seelische Qualen, stand aber gleichzeitig auf der Bühne und spielte meine Rolle, ohne dass man mir etwas anmerkte. Ich entwickelte zu jener Zeit eine besondere Begabung in der Interpretation ausdrucksstarker, angst- und schmerzvoller, sehnsüchtiger Musik. “Erwartung” von Arnold Schönberg war so ein Stück, das ich sehr authentisch wiedergeben konnte.

Doch Musik wirkte nicht nur heilend. Sie setzte sich zugleich in meiner Seele fest und verstärkte sogar die Angst! Ich merkte: Ich war gar nicht geheilt, und suchte nun Heilung andernorts, eine Zeitlang in östlichen Religionen. Zum Glück war ich skeptisch gegenüber dem “New Age”-Supermarkt.

Nach meiner Scheidung ging es mit mir nur noch bergab, bis mich eines Tages der Heilige Geist besuchte. Ich stand in der Küche, und auf einmal war ER da mit seiner überwältigenden Liebe. Es ist schwer zu beschreiben.

Du wusstest, dass es der Heilige Geist oder der Gott der Bibel war? Noch nicht so genau, aber es wurde mir bald klar. Es war, als ob endlich die geliebte Person käme, auf die ich schon immer sehnsüchtig gewartet hätte. Es war für mich zugleich ein Damaskus-Erlebnis. Ich stürzte wie Paulus vom Pferd und begann nun verzweifelt, Gott anzurufen. Über Wochen hinweg tobte ein ungeheurer geistlicher Kampf in mir. Ich erlebte dabei eine solche Veränderung, wie es auch eine jahrelange Psychoanalyse nicht zustande gebracht hätte.

Wie hast du Gottes Stimme gehört? Hast du vielleicht begonnen, die Bibel zu lesen?
Nein, erst Monate später. Gott sprach sehr direkt zu mir. Er zeigte sich mir als der himmlische Vater und lehrte mich Dinge, die ich damals noch gar nicht richtig begreifen konnte.

Ich hatte auch noch keinen Kontakt zu anderen Christen. Seltsame Dinge geschahen. Als ich einmal in Basel war – ich trat in Christoph Marthalers “20th Century Blues” auf – fragte mich der Herr: “Willst du mir nachfolgen? Willst du meine Dienerin sein?” Ich war so schockiert, sagte aber voller Enthusiasmus: “Ja, ja, ja!”

Ein anderes Mal, als ich vor Jahren mit meiner Tochter in die Region Basel zog, hörte ich Gott deutlich sagen: “Join my church!” – “Tritt meiner Kirche bei!” So fand ich die anglikanische Kirche in Basel. Ich geriet zunächst in ein kleines Morgengebet, bei dem ich mich sehr wohl fühlte.

Ein andermal stand ich vor verschlossener Tür. Da kam der Pfarrer, Geoff Read, und sagte, der Gottesdienst, zu dem ich kommen wolle, fände schon lange nicht mehr statt. Er habe aber den starken Eindruck gehabt, er müsse kommen und sehen, ob jemand da sei. Wir sprachen lange miteinander, und dann betete er für mich. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass jemand für mich betete!

Wie erfährst du Gott als Sängerin? Ich habe bald einmal begonnen, in meinen Gebetszeiten neue Melodien zu singen. Ich erlebe auch oft, wie Gott meine sorgenvollen, bitteren oder ängstlichen Gedanken in ein Lob transformiert.

Das ist wohl dieser “Strom des lebendigen Wassers”! – Wie erfahre ich Gott als Sängerin? Ich bin viel befreiter! Ich singe befreiter. Und ich bekomme interessanterweise keine Anfragen mehr für angstbesetzte Stücke! Das hat plötzlich aufgehört.

Dafür singe ich andere, schönere Stücke. Und mein Beruf als Sängerin ist mir gar nicht mehr so extrem wichtig. Ich könnte auch als Köchin oder als Krankenschwester glücklich sein! Das beunruhigt mich manchmal fast etwas. Ich glaube aber trotzdem, dass ich als Sängerin eine Aufgabe habe. Es geht ja darum, Gott mit der Musik zu dienen, durch die Kunst der Welt eine geistliche Dimension zu vermitteln.

Fragen:

  • Kannst du die Aussagen von Rosemary Hardy über die Musik- und Kunstwelt nachvollziehen: “Der Druck heisst: Ich muss berühmt werden! Ich muss mehr Geld verdienen! Ich muss die beste Rolle haben!”?
  • Wie gehst du damit um?
  • Kennst du das: Gott spricht zu dir? Wie?
  • Wie wünschest du, dass Gott in dein Leben eingreift?

Etwas, was helfen könnte (neben dem Gebet allein oder mit jemandem anderen): Aufschreiben, was dich bewegt – in ein Tagebuch, auf dein Mobile Phone usw. Gott hört und erhört auch geschriebene Gebete!


TUNE IN 137 vom 16. August 2015 | Das Gespräch mit Rosemary Hardy führte Beat Rink,  Präsident von ARTS+ © Crescendo 2007/2015 | Weitere TUNE INs findest Du hier | Zur Zeit wirkt Rosemary Hardy am Schauspielhaus Hamburg

Interview mit Masaaki Suzuki, Dirigent und Organist Leiter des”Bach Collegium Japan”.

Masaaki Suzuki, wie schaffen Sie es, dass Chor und Orchester eine Kantate verstehen? Es ist eine Frage der Kommunikation… Zum Probenbeginn gebe ich viele Erklärungen zum Kantatentext und Informationen zu Bachs Leben und so weiter. Heute haben Musiker ja genügend Kenntnisse von diesen Dingen, aber trotzdem erläutere ich noch jede Kantate.

Die Orchestermusiker, die ja Berufsmusiker sind, sind solche Musik mehr gewohnt als die Chorsänger. Im allgemeinen haben sie kein grosses Interesse an den Texten. Trotzdem wollen sie wissen, was der Chor singt, und deshalb haben sie die ganze Zeit die Partitur und auch die Übersetzungen zur Hand, worauf sie während den Proben viel Male Bezug nehmen.

Es ist interessant, dass in der Kantate “Schlage doch, gewünschte Stunde” (BWV 53) die Tenorarie von einer sehr schwierigen Pizzicato-Stelle begleitet wird. Es war für sie so schwierig, dieses Pizzicato die ganze Zeit zu spielen, dass einer rief: “Warum müssen wir immer so ein schwieriges Pizzicato spielen? Warum hat Bach das so komponiert?”

Nun übersetzte und erklärte ich die Bedeutung von “Schlage doch”. Es geht um die letzte Lebensstunde und um die Totenglocke, worauf sie meinten: “Gut, jetzt verstehen wir es. Lasst es uns nochmals proben.” Eine solche Art von Textverständnis motiviert dazu, sich auf die Musik zu konzentrieren.

Sie haben den Ruf eines sehr einfühlsamen Bach-Interpreten. Wie haben Sie Zugang zu dieser Musik aus einer völlig anderen Kultur gefunden? Das ist etwas, was ich selber nicht ganz verstehe. Ich mache einfach, was ich fühle – so natürlich wie möglich. Eigentlich wollte ich nie anders verfahren. Nun sind, weil ich mich in Europa ausbilden liess, in meinen Aufführungen unschwer Spuren europäischer Kultur zu finden. Die interpretatorische Arbeit hingegen hat etwas mit meiner Persönlichkeit zu tun – und auch mit meiner Absicht, den Text so deutlich wie möglich hervortreten zu lassen.

Wenn man sich mit einem neuen Werk beschäftigt, muss man sich als Interpret zum Beispiel zuerst für das richtige Tempo entscheiden. Was diese technischen und praktischen Aspekte betrifft, so sind meine Einspielungen jenen anderer Dirigenten recht ähnlich. Aber dann unterscheiden sie sich von ihnen manchmal recht stark, weil ich eben einen anderen Geschmack habe, weil ich anders fühle und so weiter.

Wie nähern Sie sich einer Bach Kantate, die für Sie neu ist? Allen Kantaten liegt ein bestimmtes Thema zugrunde. Deshalb muss man ihren Inhalt und ihren Kontext kennen. Man kann in ihnen eine Grundstimmung spüren: eine aktive, eine tragische oder eine andere Stimmung. Und dann kann es da sehr interessante, vielleicht sogar recht seltsame Verbindungen von Text und Musik geben. Es ist keineswegs immer klar, was ein Motiv aussagen will, aber ich versuche zu verstehen und die Aussage so gut wie möglich aufzuzeigen.

Dies hört sich nach intensiver Forschungsarbeit an… Nein, das hat nichts mit Forschungsarbeit zu tun, sondern mit einem sehr spontanen Zugang zur Musik. In der Partita, die ich letzte Nacht gespielt habe, gibt es viele kleine Details, die sehr charakteristisch sind – und ganz bewusst hingesetzt. Jede Partita-Variation scheint mir irgendwie auf einen Text komponiert. Nun, wenn man diese kleinen Elemente entdeckt, die eine Art Leitmotiv bilden, kann man die Musik auf sehr intensive und interessante Weise gestalten.

Sie sprechen von Inhalten. Nun gibt es in Europa die Tendenz, Bachs Musik von ihren Inhalten zu trennen – zum Beispiel indem man eine Kantate zur Auferstehung humanistisch reduziert, als handle sie ganz allgemein von “Sieg und Freude”.  Dies scheint wiederum zu einer Bach-Religion zu führen. Was sagen Sie zu diesen Tendenzen? Um Bachs Botschaft so gut wie möglich weiterzugeben, muss man sie kennen und verstehen. Das ist die Aufgabe eines Musikers, und sie ist der eines Schauspielers ganz ähnlich.

Menschen können zweifellos von purer Musik tief berührt sein – so wie jemand von der Schönheit eines fallenden Herbstblatts berührt ist. So können auch Nicht-Christen von Gottes allgemeiner Gnade berührt sein. Aber als Christen haben wir darüber hinaus die Möglichkeit, die Botschaft zu verstehen und weiterzugeben.

Allerdings haben wir keine Ahnung, was die Musik in den Herzen und Köpfen der Menschen im Publikum bewirkt. Vielleicht haben wir manchmal den Eindruck, ein Konzert sei nicht gelungen. Aber Musik existiert auch ohne uns – natürlich nicht ohne Aufführung, aber wir haben letztlich keinen auf ihre Wirkung in den Köpfen und Herzen.

Im CD-Booklet zur Matthäus-Passion schreiben Sie, wie wichtig es ist, die Botschaft der Auferstehung zu verstehen. Sie sollten also aufzeigen, wohin die Passion führt. Ja. Wir müssen dabei den Hintergrund der lutherischen Tradition bedenken. Die Passions-Gottesdienste sind ja nur im Licht der Botschaft verständlich, dass Christus auferstanden ist. Wenn man die tiefe Bedeutung der Passage versteht “und in dreien Tagen werde ich auferstehen”,  wird die Musik völlig anders klingen.

Was bedeutet für Sie Bachs Motto “Soli Deo Gloria”? Gott Dank zu opfern ist das höchste Ziel der Musik. Deshalb versuche ich, mein Bestes zu geben.

Haben Sie manchmal, wenn Sie spielen oder dirigieren, den Eindruck, dass sie Gott loben – bewusst loben? Bisweilen, wenn ich zum Beispel ein Chor-Tutti dirigiere, so fühle ich – ich kann das nicht erklären – eine spezielle Begeisterung, die nichts mit meiner eigenen Leistung zu tun hat. Die Musik ist so komplex, so bedeutungsvoll in ihrer ganzen Stimmführung, dass daraus ein starkes Gotteslob wird.

Im Zusammenhang  mit dem Thema “Gotteslob” eine andere Frage: Was ist für Sie persönlich die wichtigste Eigenschaft Gottes? Das Wichtigste für mich ist, dass Gott die Welt geschaffen hat mit so vielen guten Dingen. Wir können nicht alles in dieser Welt gutheissen. Und dennoch gibt es keinen Bereich, in dem Gott nicht seine Herrschaft ausübt. Dies ist für mich das wichtigste Prinzip: Wo immer ich gelebt habe, wollte ich von Gott erfasst und geleitet sein – und ich habe es erlebt.

Der zweite Aspekt ist, dass uns Gott durch Jesus Christus gerettet hat. Wir können nichts perfekt tun, aber Gott kann unserem Tun und Leben Sinn geben. Und er hilft uns immer, wenn wir ihm vertrauen. Wir hatten und haben viele Herausforderungen in unserem eigenen Leben – auch im “Bach Collegium Japan”.

Manchmal realisieren wir gar nicht, wie schwierig alles ist. Aber wenn wir durch die Schwierigkeiten hindurch sind, merken wir oft, wie gross sie waren. Doch nun sind sie überwunden – dank Gottes Gnade. Dies hilft uns, weiterzulaufen, so wie es Paulus schreibt: Ich laufe und laufe, um den Preis zu gewinnen.

Fragen:

  • Wo hast du in deinem Leben besondere Herausforderungen erlebt und kannst nun im Rückblick mit Masaaki Suzuki sagen “Sie sind überwunden – dank Gottes Gnade?”
  • Wie könnte diese Einsicht dir helfen “weiterzulaufen2, weil du auf Gott vertrauen und ihn um Hilfe bitten kannst?
  • Wo brauchst du speziell Gottes Hilfe in einem (künstlerischen oder anderen) Projekt?
  • Hast du daran gedacht, es bewusst in Gottes Hände zu legen und um seine Leitung, Hilfe und um Segen zu bitten?
  • Was heisst “Soli Deo Gloria” für dich und deine Kunst?

TUNE IN 136 vom 8. August 2015  |  Das Gespräch mit Masaaki Suzuki führten Jan Katzschke, Hermann Rohde & Beat Rink,  Präsident von ARTS+ © Crescendo 2008/2015 |  Weitere TUNE INs findest Du hier

Interview mit Daniel Pastirčák, Slowakei, Schriftsteller und Pastor einer freien evangelischen Gemeinde in Bratislava.*

Daniel, wie beziehst du Kunst in den Gottesdienst ein? Ich möchte zunächst vorausschicken, dass es sich im Gottesdienst um “angewandte Kunst” handelt, die zu einem bestimmten Zweck geschaffen wurde und die nicht für sich allein steht. Einem Musikstück haftet oft so viel Schönheit und künstlerische Qualität hinsichtlich seiner kompositorischen Struktur und seiner Ausdruckskraft an, dass sich der Zuhörer gern auf diese Merkmale konzentriert statt auf den Gottesdienst.

Wir haben zum Beispiel während der Eucharistie ein sehr komplexes, schönes und höchst interessantes Musikstück eingesetzt. Aber das Problem war, dass es vom Abendmahl ablenkte. Dasselbe kann auch im Blick auf bildende Kunst oder andere Kunstformen gesagt werden. Das Ziel von Kunst im Kontext der Kirche ist es, zu dienen. Und eine Atmosphäre für die Gegenwart Gottes zu schaffen. Es ist wie bei einer Ikone: Die Künste sollten ein Fenster öffnen für Gottes Gegenwart.

Wie setzt ihr Musik im Gottesdienst ein? Wir singen natürlich Lieder. Aber nicht ausschliesslich, denn die Menschen sind heute nicht mehr so mit dem Liedersingen vertraut wie früher. Oft zwingen wir ja Leute, die zur Kirche kommen, zum Singen unvertrauter Lieder. Dies, obwohl sie sonst nie singen! Warum also nicht vermehrt Instrumentalmusik einsetzen?

Heute hören sich die Leute eher meditative Musik an. Darum unterteile ich meine Predigten jeweils in verschiedene Teile und öffne so einen Raum für Kontemplation mit künstlerischen Elementen – zum Beispiel mit moderner Musik oder bildender Kunst.

Welche anderen Kunstformen bezieht ihr ins kirchliche Leben ein? Wir haben in der Kirche auch eine schöne abstrakte Skulptur, die ein junger Künstler geschaffen hat. Nur können die wenigsten älteren Kirchenglieder damit etwas anfangen. Sie steht gerade am Eingang und bietet einen ersten Gesprächsstoff für neue Besucher.

Im Advent hatten wir einen ganz speziellen Gottesdienst: Es gab vier Teile mit Improvisationen – einmal instrumental und gesanglich, dann mit computergenerierter bildender Kunst, drittens mit Tanz und viertens mit Texten. Das Ganze wurde kurz eingeführt und dauerte etwa zwanzig Minuten.

Wie reagierten die Leute darauf? Einige wussten nicht so recht, was sie damit machen sollten. Manche fanden, es sei zu kurz, andere fanden es zu lang. Aber alle sind mittlerweile damit vertraut, dass es Überraschungen gibt. Aber es gibt auch gewöhnliche Gottesdienste ohne spezielle Überraschungen.

Was denken die Pastoren und Mitglieder anderer Gemeinden über diesen starken Einbezug der Kunst bei euch? Manche stellen uns in Frage, andere zeigen zumindest Respekt. Sie sind im allgemeinen recht offen für unseren Ansatz, aber ihr Denken ist irgendwie festgefahren.

Aber ich möchte betonen, dass es uns nicht um die Frage geht: “Wie bringen wir Kunst dazu, die christliche Botschaft zu verkündigen?”, sondern um die Frage: “Worin besteht heute eigentlich die Botschaft? Welche neuen Fragen werden in der zeitgenössischen Kunst, in der Philosophie, Literatur und überhaupt in der Kultur aufgeworfen?”

Und mit diesen unbeantworteten Frage wollen wir zu Gott, zu Christus und zum Geist der Schrift kommen und eine neue Glaubenssprache für unsere Generation suchen. Und dies bringt uns dann dazu, die Künste einzubeziehen.


* Erschienen in Crescendo Nr. 79, 2009 | TUNE IN 135 vom 8. August 2015 | Interview und Übersetzung von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier

 

Es gilt, die konfliktreiche Seite des Verhältnisses von Kunst und Kirche ohne einseitige Schuldzuweisungen aufzuarbeiten. Es gibt noch allzu viele Vorurteile und Verletzungen auf beiden Seiten. Wie kann diese Aufarbeitung geschehen?

Der Schriftsteller András Visky liest ein Gedicht in der KIRCHE KREATIV im “Crescendo Sommerinstitut” am Samstag, den 25. Juli  2015 in Tokaj, Ungarn.

Lösungsansatz 1: Einsicht in die Stärken und Schwächen der anderen Seite  Ein erster Schritt würde dort gemacht, wo Kunst und Kirche den Charakter der jeweils anderen Seite entdecken. Um wenigstens stichwortartig einige Aspekte zu nennen:

Einsicht auf der Künstler-Seite Die Kirche hat die Kunst über Jahrhunderte gepflegt. Es besteht keine grundsätzliche Kunstskepsis in der Kirche. In der heutigen Kirche herrscht aber weitgehend ein Mangel an Kunst-Kenntnis. Es bedarf liebevoller Geduld, das Interesse für diesen “vergessenen Bereich” zu wecken und die Gemeinde ästhetisch zu prägen. Es gibt viele andere Bereiche in einer Kirche, die der Pflege bedürfen. Umso mehr ist Langmut gefragt – und vielleicht auch die Mitarbeit der Künstler in einem dieser anderen Bereiche.

Einsicht auf der Kirchen-Seite: Künstler leiden unter einer minderwertigen Gemeindekunst. Sie sind Fachpersonen, die in ästhetischen Fragen beratend beigezogen werden sollten.

Künstlerisches Schaffen ist ein oft unter Entbehrungen ausgeübter Beruf; die Entlöhnungsfrage ist deshalb ein wichtiges Thema. Zugleich ist das künstlerische Schaffen mehr als ein Beruf. Es ist eine intensiv gelebte ­und manchmal durchlittene Existenzform. Ein Künstler bedarf kreativer Freiräume und immer wieder auch Zeiten des Rückzugs, was manchmal als individualistische Abschottung missverstanden wird.

Der Künstler braucht das Zugeständnis eines innovativen Freiraums, in dem auch “Unorthodoxes” entstehen darf. Die Gestaltung scheinbar weltlicher Themen ist noch keine Absage an den Glauben. In seinem Ringen ist der Künstler auf Verständnis und Ermutigung angewiesen. Das Angewiesen-Sein auf Lob ist noch keine stolze Abkehr von der “Soli Deo Gloria“-Haltung.

Die Ausrichtung eines Künstlers auf die weltliche Kunstszene ist noch keine Absage an die Gemeinde; vielmehr findet er dort seine künstlerischen Qualitätsmassstäbe und ein Verständnis, das er in der Kirche oft vermisst. Künstler sind generell kreative Köpfe; warum sie nicht einladen, auch für andere Gemeindebereiche mitzudenken?

Lösungsansatz 2: Einsicht in die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit   Ein zweiter Schritt würde dort gemacht, wo Kunst und Kirche merken, dass sie eine segensreiche  Allianz eingehen können.

Denn auf der einen Seite brauchen Künstler die begleitende und betende christliche Gemeinschaft – sowohl innerhalb der Kirche wie auch in christlichen Künstler-Netzwerken. Die Herausforderungen im Kunstmarkt (Konkurrenzdruck, finanzieller Überlebenskampf) und manche innerpsychischen, potenziell Stress verursachenden Faktoren wie Perfektionismus und Sensibilität können belastend sein.

Dazu mag kommen, dass sich der christliche Kunstschaffende aufgrund seines Glaubens isoliert sieht, weil der Glaubensbezug in seinem Schaffen auf Unverständnis stösst oder weil er sich gegenüber mondänen Tendenzen in der Künstlergemeinschaft abgrenzt.

Auf der anderen Seite braucht die Kirche das kritische und kreative Ferment der Künstler. Zudem weiss sie, dass sie ohne Kunstverständnis und Kunst-Pflege nach innen hin verarmt und nach aussen hin weniger “attraktiv” ist. Sie erkennt, dass die Werke geistlicher Musik, Literatur, Malerei oder Architektur zu den unverzichtbaren geistlichen Schätzen unserer Kultur gehören, die – wie kaum eine andere Verkündigungsform – immer noch grosse Strahlkraft entfalten. Und schliesslich begrüsst sie, wenn christliche Künstler in der säkularen Kunstszene präsent sind und dort ein Stück “Reich Gottes” bauen helfen. Vielleicht könnten in speziellen Begegnungsforen – in Verbindung mit theologischen Symposien – Künstler und Kirchenverteter aufeinander zuzugehen.

Lösungsansatz 3: Konkrete Zusammenarbeit  Ein dritter Schritt würde zur konkreten Zusammenarbeit führen: zum Einbezug von Künstlern in die Kirche, in die Gottesdienste, in die Gestaltung der Kirchenräume, in die nach aussen gerichtete Arbeit, in die Freizeitgestaltung. (Dies kann wohl nur durch strukturelle Massnahmen geschehen, zum Beispiel durch die Einsetzung eines Gemeinde-Arbeitsbereichs “Kunst”, der von professionellen Künstlern oder profunden Kunstkennern geleitet wird.)

Der Kontakt und die Zusammenarbeit mit den erwähnten Künstlernetzwerken und Künstlerinitiativen dürften nicht vernachlässigt werden, weil dort solche Fragen seit langem diskutiert und praktische Modelle erprobt werden. Finden Kunst und Kirche wieder zusammen, wird das Wort des Schriftstellers Gottfried Benns (1886 – 1956) hoffentlich endlich widerlegt werden, dass “Glaube ein schlechtes Stilprinzip” sei.


Dieser und der vorherige TUNE IN-Beitrag zu “Künstler in der Kirche / Teil VI” stammt aus der Stellungnahme zu “Kunst aus christlicher Sicht”, die ARTS+ und die Schweizerische evangelische Allianz veröffentlicht haben. | TUNE IN 134 vom 27. Juli 2015 | Unser Text ist von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier

Die beiden nächsten Weitere TUNE INs findest Du hier-Beiträge zu “Künstler in der Kirche” entnehmen wir der Stellungnahme zu “Kunst aus christlicher Sicht”, die ARTS+ und die Schweizerische Evangelische Allianz veröffentlicht haben.  

1. Kunst im Dienst der Kirche  Der Blick in die Kunst- und Kirchen-Geschichte zeigt: Kunst bringt Schönheit hervor und kann damit auf wunderbare Weise Gott loben und ins Gotteslob hineinführen. Denken wir an die Musik Bachs! Kunst kann, ohne manipulativ zu wirken, die biblische Botschaft auf interessante Weise darstellen und zum Nachdenken und Glauben anspornen. (mehr …)

Wie Umberto Eco* (links unten im Bild) in einem bahnbrechenden Buch ausführt, sind viele moderne Kunstwerke in einer dreifachen Weise offen:

1. Sie sind „in Bewegung“ (wie die Mobiles von Alexander Calder) und bieten dem Betrachter an, das Werk mit zu gestalten.

2. Sie sind offen für ständige Neuknüpfungen von inneren Beziehungen, wie es zum Beispiel der  Hörer einer seriellen Komposition erlebt. In einer “multipolaren Welt” ohne absolutes Zentrum schafft er sich hörend eine eigene Struktur.

3. Sie sind offen für eine unendliche Reihe möglicher Lesarten. Sie machen sich geradezu verfügbar für verschiedene Interpretationen und bieten selber nicht unbedingt eine bestimmte Deutung an. Die Romane von Franz Kafka oder ein Bild von René Magritte kann man zum Beispiel nicht so eindeutig interpretieren wie einen Roman (oder ein Bild) aus dem Barock, die vielleicht auf den ersten Blick ebenso verwirrend sind, aber auf einer klaren Zuordnung von Bildern und Bedeutung beruhen.

Dass Kunstwerke heute “offener” sind als in früheren Jahrhunderten, ist ein Phänomen der “modernen Zeit”. Eco legt dar, dass zwischen Aufklärung und Romantik die Idee der “reinen Poesie” aufkommt. Dahinter steht eine Ablehnung allgemeingültiger Ideen und abstrakter Gesetze (durch den englischen Empirismus) und eine neue Auffassung von künstlerischer “Schöpfung”. Aber erst nach der Romantik, im Symbolismus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, entsteht eine bewusste “Poetik des offenen Kunstwerks”.

Bevor wir nach dem Ort des “offenen Kunstwerks” in der Kirche fragen, müssen wir klären: Wie stellt sich nun von christlicher Seite das “offene Kunstwerk” dar? Um plump zu  fragen: Können Christen “offene Kunstwerke” schaffen, wo sie doch daran glauben, dass es eine “zentrale Wahrheit” gibt? Können sie hinter die weltanschaulichen Positionen des Empirismus  zurückgehen?

Wenn wir davon ausgehen müssten, dass jedes “offene Kunstwerk” zugleich kommuniziert, dass es keine allgemeingültige Wirklichkeit und Wahrheit geben kann, so hätten Christen tatsächlich ein Problem. Aber dies wäre ein ebenso fataler gedanklicher Kurzschluss wie die Behauptung, dass Musikinstrumente mit heidnischem Hintergrund (oder Rockmusik aus nicht-christlichen Quellen) nicht von Christen adaptiert werden können, weil damit immer auch eine heidnische Botschaft transportiert wird.

Die Sprache des “offenen Kunstwerks” – oder besser: eines Kunstwerks, das verschiedene Deutungen zulässt – ist nichts Verwerfliches. Jedes instrumentale Musikstück ist schliesslich “deutungs-offen”.

Wie lässt sich nun ein “offenes Kunstwerk” in der Kirche zeigen oder aufführen? Welchen Ort kann es u. U. in einem liturgischen Rahmen einnehmen? Dazu vier Punkte:

1. Dass ein Kunstwerk “offen” ist, sagt noch nichts über seine Qualität aus. Ein Kunstwerk ist nicht einfach besser, je offener es ist. Und umgekehrt gibt es weniger offene Kunstwerke (zum Beispiel die, in einem früheren TUNE IN vorgestellten, Bibelillustrationen von Kees de Koort), die sehr gut sind!

2. Es ist trotzdem wichtig, dass die Kirche ein Verständnis für “offene Kunstwerke” entwickelt und nicht allein Kunst fördert, die eine bestimmte Aussage oder Geschichte der biblischen Botschaft respektive der Predigt “illustriert”.

Die Sprache der heutigen Kunst ist vielen Christen fremd – und entsprechend ungeduldig kann die Reaktion auf ein Werk sein, das sich nicht unbedingt dem unmittelbaren Verständnis erschliesst. Ich selber habe mit eigenen poetischen Texten gerade in christlichen Kreisen immer wieder die Frage gehört: “Was meinst du damit?” Es schien mir, die Bitte um Erklärung war ein Alibi für die Mühe, den Text auf sich wirken zu lassen und sich ihm mit etwas Geduld anzunähern.

3. Wie überall, wo Kunst in der Kirche Eingang finden soll, muss sorgfältig ausgewählt werden, welches Werk in welchen Rahmen “passt”. Das heisst: Es muss ein Hör-Raum und ein Seh-Raum (bzw. ein geeignetes Zeit-Fenster) dafür gefunden werden. Und auch die Atmosphäre und die Aussage(n) eines Werks wollen bedacht sein.

Zweifellos ist nicht jedes Werk für einen kirchlichen Kontext, z. B. einen Gottesdienst,  geeignet. Ein Gottesdienst hat eine bestimmte inhaltliche Richtung, und es wäre fatal sowohl für den Gottesdienst als auch für die Kunst, wenn es darin ein Fremdkörper wäre.

4. Unter Künstlern besteht oft der Vorbehalt: “Kunst, die sich auf die biblische Botschaft bezieht, ist illustrativ, propagandistisch und inhaltlich allzu eindeutig.” Dahinter steht ein Missverständnis, das möglicherweise auf ein verkürztes Bibelverständnis in den Kirchen zürückgeht.

Denn: Gerade die Bibel ist ein “offenes Kunstwerk”! Dies nicht im Sinn beliebiger Interpretierbarkeit, sondern so: Wir erfahren doch immer wieder, dass das Wort der Bibel auf überraschende Weise spricht – und wirkt.

Heute spricht und wirkt es anders als gestern – und darum werden wir es auch morgen wieder erwartungsvoll zur Hand nehmen. Nicht selten entfaltet sogar genau der gleiche Text, neu gelesen, eine andere Bedeutung und Lebenskraft.

So hat das Bibelwort eine Dimension, die kein Menschenwort je erreichen kann. Es ist zwar nicht nach allen Seiten hin offen und beliebig interpretierbar, aber es ist vertikal nach oben hin offen und Gott wirkt dadurch in eine Tiefe der Seele – und der Geschichte hinein – wie kein anderes Wort oder Kunstwerk. Also wird auch gelten, dass von der biblischen Botschaft inspirierte Kunst nicht zwingend eindimensional und “flach” ist.

Die Kirche müsste sich demnach üben, auf einen vielschichtigen Text zu hören. Sie müsste zum Beispiel auch nicht-seichte Musik schätzen lernen. Sie müsste visuelle Kunst fördern oder ein Theater- oder Tanzstück loben, die nicht eindimensional sind.

Dies eben deshalb, weil sie auch mit dem vielschichtigen Bibelwort subtil und nicht eindimensional verfährt. Und weil sie weiss: Gott redet und wirkt immer wieder auf nicht-vorhersehbare Weise durch sein Wort. Und er kann auch durch ein Kunstwerk reden!!!

Und der Künstler? Er darf seinerseits entdecken, dass das Bibelwort nicht eindimensional ist, sondern ein nach oben hin “offenes Kunstwerk”.

Fragen:

  • Wo haben “offene Kunstwerke” in der Kirche Platz?
  • Wie erfahre ich selber das Bibelwort?
  • Als offen und vielschichtig?

Übung, die wir kürzlich in einem Künstlerkreis machten:

  • Nimm einen Bibeltext zur Hand, z. B. Johannes 6,1-15.
  • Lies ihn still – mit dem Gebet, dass Gott zu dir durch ein bestimmtes Wort oder Bild spricht. Was  “leuchtet” darin auf?
  • Lies ihn noch einmal mit der Bitte: Zeig mir, welche Stimmung mit diesem Wort verbunden ist.
  • Lies ihn ein drittes Mal mit der Bitte: Zeig mir, was das für mich bedeuten könnte. 

* Umberto Eco: “Das offene Kunstwerk” (Opera aperta), 1962 | TUNE IN 132 vom 13. Juli 2015 | Unser Text ist von Beat Rink, Präsident von ARTS+ | Weitere TUNE INs findest Du hier

Fortsetzung von TUNE IN 130: 1. Korinther 14 (1-5) / 26-29

III. Paulus gibt praktische Ratschläge: Es braucht in der Gemeinde eine Auslegung der Zungenrede (darunter versteht man unverständliches Sprechen, insbesondere im Gebet [die Red.] – s. dazu auch TUNE IN 130) und einen geordneten Vortrag der Zungenrede selber: “So jemand mit Zungen redet, so seien es ihrer zwei oder aufs meiste drei, und einer um den andern; und einer lege es aus. Ist aber kein Ausleger da, so schweige er in der Gemeinde, rede aber sich selber und Gott.“
(mehr …)

Seit dem Jahr 2001 bin ich in über 1000 Gottesdiensten und liturgischen Konzerten aktiv als Jazzmusiker und Komponist, in verschiedenen kirchlichen Traditionen und liturgischen Formaten. Da ich Jazz in Kirchen spiele und damit keine traditionelle Kirchenmusik, ist es ein immerwährender und zwingender Lernprozess für mich geworden, über die Rolle des Künstlers in der Kirche nachzudenken. Die Passagen aus dem 1. Korintherbrief 14 sind seit etlichen Jahren zu einem Leitfaden und Arbeitsgrundlage geworden, und ich möchte im Folgenden einige Beobachtungen mit Euch teilen in der Hoffnung, das sie mit einigen von euren Erfahrungen und Visionen für Kunst und Kirche resonieren.

(mehr …)

Wir möchten in einer neuen Reihe von TUNE INs fragen: Wie können Künstler in der Kirche dienen? Warum ist das Engagement von Künstlern in der Kirche wichtig? TUNE IN 128 hatte das Thema: Gotteslob. Hier zitieren wir einige bemerkenswerte Aussagen von Pfr. Ulrike Bittner und Pfr. Dr. Wolfgang J. Bittner, beide sehr interessante Theologen – und auch grosse Kunstkenner, die professionelle Künstler in ihre Gottesdienste integrieren. Sie haben in den Crescendo-Zeitschriften 79 und 80 zum Thema “Kunst in der Kirche” ein Interview gegeben, aus dem wir einige Abschnitte zitieren.

Wie kann der Bereich der „Kunst“im kirchlichen Leben zur Geltung kommen? Soll er es überhaupt?

Wolfgang Bittner: Ich empfinde unsere Kirche in der Art, wie sie sich nach aussen präsentiert, als zu intellektuell. Dabei bin ich sehr gern ein Intellektueller, aber das darf nicht zur Einseitigkeit verkommen. Wenn Gott sich in dieser Welt ausdrückt, dann so, dass es mit allen Sinnen erfahrbar ist. Und so sollte es in der Kirche Angebote geben – es gibt sie auch teilweise –, die die Sinne der Menschen einbeziehen und einsetzen, um auf Gott hinzuweisen.

Ich bin auch überzeugt, dass genau dies die Menschen suchen. Gedanken können gut und originell sein. Doch sie gehen schnell vorbei.Was die Menschen eigentlich suchen: dass sie berührt werden und mit der Erfahrung aus der Kirche herausgehen, jemanden begegnet zu sein! Die Kunst hat sehr viele Möglichkeiten, eine solche Begegnung überhaupt zu ermöglichen – ganz andere als wir mit dem Wort. Ich wünsche mir für die Gottesdienste deshalb auch noch andere Kunstsparten: Schauspiel, Tanz, Rezitation…


Nun kann ja Kunst auch illustrativ sein, also ein Bibelwort illustrieren. Der Künstler möchte aber nicht unbedingt nur illustrieren, sondern etwas gestalten, das möglicherweise nicht so eindeutig, nicht so leicht verständlich ist und das vielleicht zunächst auch etwas Irritierendes hat. Etwas, das ins Fragen hineinführt. Hat das Platz in der Kirche?

Wolfgang Bittner: Wenn ein Gottesdienst nur direktive Elemente enthält, die der Gemeinde sagen, was zu tun und was zu denken ist, dann ist das ja auch kein Gottesdienst. Wort und Musik müssen etwas Offenes haben. Es darf aber nicht alles offen sein! Doch damit jenes, was klar gemeint ist, auch ankommen kann, braucht es eben das Öffnen der Gefühle – etwa durch die Musik. Nur so kann es die Menschen erreichen. Kunst und Musik dürfen nicht zu verzweckt sein. Ich empfinde Lobpreismusik manchmal als zu verzweckt; sie führt zu sehr in eine bestimmte Richtung und ihr fehlt gerade diese Offenheit.

Wie ist dies theologisch zu verstehen? Unter Offenheit versteht ihr kaum Beliebigkeit, sondern eher das Angebot an den mündigen Gottesdienst-Besucher, das herauszupflücken, was für ihn wichtig ist. Stimmt das?
Wolfgang Bittner: Wir rechnen damit, dass der Geist gerade in dieser Offenheit einen Menschen so führt, dass er bestimmte Dinge für sich als wichtig erkennen kann. Und zwar nicht unbedingt nur das, was der Pfarrer vorher gesagt hat.


Welche künstlerischen Elemente könnten Eurer Meinung nach den Sonntags-Gottesdienst bereichern?

Ulrike Bittner: Ich denke etwa an das Abendmahl. Mir fällt auf, dass es oft etwas Schwermütiges hat. Man könnte es aber künstlerisch anders gestalten. Statt mit düster-schaurigen Orgelklängen etwa mit Anbetungsmusik. Wobei ich nicht unbedingt den modernen Anbetungsstil meine, den wir in den heutigen Kirchen pflegen. Ich empfinde ihn manchmal als zu direktiv. Anbetung ist noch viel weiter.

Ich weiss nicht, ob Künstler die Freiheit hätten, an solchen Stellen auch einmal etwas Eigenes zu gestalten. Die Anbetung dürfte also noch mehr zum Zug kommen. Wenn wir die Psalmen lesen, sehen wir, dass jeder Psalm in ein Gloria übergeht. Die Gemeinde könnte ein Psalmgebet sprechen oder ein Organist könnte etwas gestalten, das in die Anbetung hineinführt.

Die Schönheit und Würde mancher Gottesdienst-Teile könnten neu ins Bewusstsein rücken, wenn sie künstlerisch-anbetend gestaltet würden. Dies entspricht ja auch der ursprünglichen liturgischen Absicht.
Würdest du dich nicht scheuen, ein nicht-christliches Gedicht mit einzubeziehen?

Wolfgang Bittner: Mir kommt es nicht darauf an, ob es christlich oder nicht-christlich ist, sondern ob es gute oder keine Kunst ist. Jede gute Kunst hat etwas Öffnendes und setzt für Antworten frei statt direktiv Antworten zu geben. (…) Ein solches Gedicht wird ja in einer Kirche gelesen. In diese Offenheit hinein kommt dann das Bibelwort, das Deutungsangebot.

Ob das Deutungsangebot hörbar wird oder nicht, liegt nicht in unserer Hand. Die einzige Gefahr besteht dort, wo ein Künstler eine Botschaft vermittelt, die in sich ideologische, missionarische Züge hat. Dann wird es unmöglich sein, seine Kunst in den christlichen Gottesdienst einzubetten. Aber die meisten Kunstwerke sind dies ja nicht. Das Wort “missionarisch” trifft möglicherweise auch auf christliche Kunst zu.
Was ist dann mit christlicher Kunst, die eine klare christliche Aussage hat?
Ulrike Bittner: Auch da würde ich zuerst prüfen, ob es sich um gute oder schlechte Kunst handelt. Wir hatten in der Gemeinde einen Volkschor. Er sang ganz fromme Lieder. Diese haben aber nichts geöffnet und auch keine Antworten gegeben. Die christliche Botschaft kam überhaupt nicht rüber.


Kann man sagen, dass gute Kunst nichts Ideologisches hat?

Wolfgang Bittner: Gute Kunst hat immer eine Botschaft. Sie muss deswegen noch nicht ideologisch sein. Es gibt auch Kunst mit einer ganz dezidierten Botschaft. Dieser sollte man nun nicht einen anderen Sinn unterjubeln wollen. Und man sollte sie nicht gegen ihre eigene Absicht für den Gottesdienst instrumentalisieren.

Andererseits gibt es keine andere Bewegung, die so nahe an der Ideologie ist wie das Christentum. Und deshalb sind wir so gefährdet, ideologisch zu werden. Was ich mir schwer vorstellen kann: Dass das Werk eines Malers oder Bildhauers, der das Zerstörerische in der Welt aufzeigen will, in einem Gottesdienst Platz hat und die Besucher für das Hören auf Gott öffnet. Vielleicht wäre dies sogar möglich; das Werk müsste dann aber mit größter Sorgfalt eingeführt werden.


Kann Kunst auch etwas Prophetisches haben?

Wolfgang Bittner: Prophetisch heißt ja “Eine Ansage machen über etwas, was jetzt dran und notwendig ist.” Musik bringt dieses Notwendige oft ein – insofern als Menschen zu sich selbst geführt und innerlich wieder geordnet werden.

Musik ist nicht einfach beliebig. Kunst hat immer etwas Aufdeckendes. Paul Klee sagt: Kunst lehrt sehen. Und Kunst zwingt uns beinahe, etwas nicht mehr zu übersehen. Vielleicht hilft sie auch etwas sehen, was Gott in einer bestimmten Situation zeigen möchte?

 


TUNE IN 129 vom 21. Juni 2015 | Das Interview führte Beat Rink, Präsident von ARTS+|Weitere TUNE INs findest Du hier

Wir möchten in diesem und in einigen weiteren TUNE INs fragen: Wie können Künstler in der Kirche dienen? Warum ist das Engagement von Künstlern in der Kirche wichtig? Tatsache ist, dass nicht alle Kirchen und Kirchgemeinden eine Ahnung davon haben (oder eine Erinnerung daran), wie wichtig Kunst für sie sein könnte. Und nicht alle Künstler sind motiviert, ihre Gaben in einer Kirche einzusetzen. Dies vielleicht aus einem gewissen elitären Denken heraus, vielleicht aber auch, weil sie – trotz allen guten Willens – demotiviert wurden.

Zum Thema dieses TUNE INs: Anbetung. Tatsächlich ist Anbetung in den Kirchen oft ein sehr heiss diskutiertes Thema. Und zwar schon seit Jahrhunderten. Dies hat mit gewissen Spannungspolen zu tun. Ich möchte folgende nennen:

(mehr …)

“Denn Grosses hat er, der mächtig ist, an mir getan. Und heilig ist sein Name.”

Das Magnifikat ist einer der bekanntesten Bibeltexte. Es nimmt in der liturgischen Tradition vieler Kirchen einen prominenten Platz ein, und ist unzählige Male vertont worden. Kürzlich durfte ich diese wundervollen Worte mit ganz neuen Augen betrachten – bei einer Abendandacht im Berliner Stadtkloster Segen.

Die dort gebotene Auslegung erfuhr ich als sehr ermutigend und erfrischend. Der Pfarrer, der durch den Gottesdienst führte, liess die Besucher zunächst den Text lesen und jene Stellen unterstreichen, die ihnen besonders wichtig erschienen.

Es war eine schlichte, aber sehr hilfreiche Übung, die ich jedem TUNE IN-Leser wärmstens empfehlen kann! Doch hier sollen ein paar eigene Gedanken folgen, die wir uns in jener Abendandacht gemacht haben. (mehr …)

Thomas, auch Didymus genannt, einer der Zwölf, war nicht dabei gewesen, als Jesus zu den Jüngern gekommen war. Die anderen erzählten ihm: “Wir haben den Herrn gesehen!”

Thomas erwiderte: “Erst muss ich seine von den Nägeln durchbohrten Hände sehen; ich muss meinen Finger auf die durchbohrten Stellen und meine Hand in seine durchbohrte Seite legen. Vorher glaube ich es nicht.”

Acht Tage später waren die Jünger wieder beisammen; diesmal war auch Thomas dabei. Mit einem Mal kam Jesus, obwohl die Türen verschlossen waren, zu ihnen herein. Er trat in ihre Mitte und grüßte sie mit den Worten: “Friede sei mit euch!”

Dann wandte er sich Thomas zu. “Leg deinen Finger auf diese Stelle hier und sieh dir meine Hände an!”, forderte er ihn auf. “Reich deine Hand her und leg sie in meine Seite! Und sei nicht mehr ungläubig, sondern glaube!”

Thomas sagte zu ihm: “Mein Herr und mein Gott!” Jesus erwiderte: “Jetzt, wo du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind die nicht sehen und doch glauben.”

(mehr …)

linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram