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08.
November
2021

PrixPlus 2021 & ARTS+ Förderpreis 2021

Wir gratulieren!
Der mit 1500 Franken dotierte PrixPlus 2021 geht an die Künstlerin Olivia Wiederkehr aus Zürich, die mit ihren vielschichtig komponierten, oft gleichzeitig aus performativen, installativen und skulpturalen Elementen bestehenden Arbeiten seit Jahren in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Laudatio für Olivia Wiederkehr

Melanie Mock
Thun, Musig Fägtory / 5.11.2021

Mein Name ist Melanie Mock, ich bin Szenografin und schreibe gelegentlich über Kunst. 2017 hatte ich das Vergnügen und die Ehre, für das Kunstmagazin BART eine Werkschau über Olivia Wiederkehr zu schreiben. Meine Laudatio anlässlich der Vergabe des PrixPlus 2021 schöpft einerseits aus unserem intensiven Gespräch von damals, aber auch aus dem Blick auf die vielseitigen Arbeiten und Performances, die Olivia Wiederkehr seither realisiert hat.

Ich möchte mit einem Zitat von ihr starten:

«Performance zu machen bedeutet, Hüllen fallen zu lassen, sich zu zeigen: ehrlich, zerbrechlich, authentisch. Und gleichzeitig ist es notwendig, die Person aus dem Fokus zu nehmen und den Körper als Transporteur und Werkzeug einzusetzen.»

Authentisch und gleichzeitig darstellend zu sein – das ist für die Performerin Wiederkehr ein unauflösliches, aber künstlerisch fruchtbares Paradox. Das Element des Unberechenbaren, die immanente Gefahr des Missglückens verleiht der Performance in den Augen der Künstlerin ihre ureigene faszinierende Kraft.

Olivia Wiederkehr, geboren 1975 in Schlieren, Zürich, studierte Bühnenbild und Freie Kunst in Berlin und Basel und absolvierte den Master in Fine Arts in Zürcher Hochschule der Künste. Ihre Performances und Installationen zeigt sie regelmässig im In- und Ausland. In unregelmässigen Abständen kuratiert sie zudem Performance-Gefässe.

In ihren performativen und installativen Settings setzt sich Olivia Wiederkehr mit historischen, funktionalen und sozialen Räumen auseinander und erforscht mit künstlerischen Mitteln deren Konzeption, Logik und Wirkung.

Ihre Performances sind oft partizipativ angelegt und laden das Publikum zur Beteiligung ein. Raumaneignung, räumliche Manifestationen von Identität, Selbstwert und Status sowie Grenzen und Grenzziehungen sind Themenfelder, die sie künstlerisch auslotet.

Yes! Yes! Yes! No! No!

Ohne Geländer denken.

Vulnerable Tensions

Fleisch werden

Pink.Ponk.Flow.

Diese kleine Auswahl an Titeln ihrer Arbeiten umreissen diese Themen kurz und prägnant und machen zudem Wiederkehrs Sprachsensibilität und -Spiellust spürbar.

JA. NEIN. – Diese Worte haben Macht. Mit diesen Worten lassen sich Räume öffnen oder auch schliessen. Die Performance Yes! Yes! Yes! No! No! entstand 2020 in Athen, in enger Kollaboration mit Yellow Brick, einem Non-Profit-Atelier für lokale und internationale Kunstschaffende, kuratiert von der Künstlerin Vasiliki Sifostratoudaki. Das Herzstück der Arbeit ist ein Manifest: in 18 Punkten formuliert Olivia ihre Vorstellung von persönlicher Handlungsfreiheit: «YES. I want to be free: Free to say yes. Free to say no. Free to debate. Free to begin. Free to change spaces. Free to relate. Free to resist. Free to be incomplete».

Diese Statements trugen tanzende Performerinnen im Rahmen eines Art-Dance-Walks, aufgemalt auf ihre wehenden bunten Kreisröcke, durch die Strassen Athens. Im Dokumentations-Text steht: «The performance was an invitation to all for a dialogue: A dialogue in public space, an invitation to think about freedom.»

Mit Aktionen wie dieser verstärkt Olivia Wiederkehr feinste Bewegungen, ja: Schwingungen im öffentlichen urbanen Leben, wo Einsamkeit und Exponiertheit als gegensätzliche Pole des Sozialen aufeinanderprallen. Ihre Arbeiten sprechen vom Bedürfnis nach Erkanntwerden, Beziehungsaufnahme und Intimität, als auch vom entgegengesetzten Impuls, sich zu verbergen, von der Sehnsucht nach Schutz und Geborgenheit. Damit wirft sie grundmenschliche Fragen auf: Wie wollen wir zusammenleben? Wie schützen wir gegenseitig unsere Freiheit? Wie kommen wir miteinander in Resonanz? Mit diesen Fragen zielt sie mitten ins Herz unserer heutigen post-post-modernen Gesellschaft und leistet mit ihrer Kunst einen unverzichtbaren Beitrag an den öffentlichen Diskurs.

Olivia: Ich gratuliere dir sehr sehr herzlich zum Erhalt des PrixPlus 2021 und ich hoffe und wünsche mir, dass dein künstlerischer Speicher noch lange nicht erschöpft ist! Wir brauchen deine Einladung zum Nachdenken! Wir brauchen deine Fragen! Wir brauchen sie dringend und wir brauchen sie immer wieder von neuem. Keep on!

Danke.


Der mit 500 CHF dotierte Förderpreis geht dieses Jahr an das partizipative Musicalprojekt «Bühnenreif» von Maya Heusser für die Produktion «Küstenpfad».

Laudatio für «bühnenreif» und «Küstenpfad» (Fr 5. Nov 21)

Was ist Schauspiel?
Eric Bentely (1916 – 2020), ein Kulturkritiker, Autor und Übersetzer hat dazu die treffende Formel gefunden:
A verkörpert B während C zuschaut.

Das also ist der Rahmen, in dem sich «bühnenreif» entwickelt hat.

Wer steckt hinter diesem Namen? Auf der Webpage lesen wir zur Gründerin:

Maya Heusser hatte schon immer viel Phantasie und für eine introvertierte Person sehr viele Worte. Die Phantasie hat mit dem Schaffen von lebendigen Figuren und alltagsnahen Geschichten einen produktiven Ausgang gefunden. Die Dialoge verweben die gesammelten Worte zu Bildern, Emotion und Hoffnung.  «bühnenreif» ist gereift. Über 10 Jahre Musicalarbeit in verschiedenen Bereichen. Berufserfahrung als Lehrerin, Mutter, Modeberaterin und Theologin. Und mehr als vier Jahrzehnte alltäglicher Alltag. In der Theaterarbeit ist alles Gewinn. Herausforderungen, Scheitern und Altern. So hat jede neue Story ein bisschen mehr Tiefe.

Ich selber lernte Maya Heusser während des letzten Jahres besser kennenlernen. Zuerst via Bildschirm (2020 – das Jahr des ZOOMS). In dieser Zeit hat sie mir eine Aufnahme des ganzen Küstenpfad Musicals zur Verfügung gestellt, das ich mir dann in Ruhe zu Hause angesehen habe. Das Thema dieses Musicals ist EINSAMKEIT, ein in Corona Zeiten brennend aktueller Zustand.

Die 4 Protagonisten des Stücks haben mich schnell in ihren Bann gezogen. Die Dialoge, die Charaktere, der Kontext war so aufgebaut, dass sie für mich auf ganz natürliche Weise glaubwürdig waren. Nie belehrend, moralisierend. Als Zuschauer wird man reflektierend mit hineingenommen, mal zustimmend, lachend oder betroffen schweigend. Das dies einem Stück gelingt, zeichnet es für mich besonders aus.

Was „Küstenpfad“ aber ebenso bemerkenswert macht, ist das enorm grosse Engagement, das es für dessen professionelle Umsetzung benötigte. Nichts wurde dem Zufall überlassen, alle heute zur Verfügung stehenden Techniken wurden mit einbezogen:
Filmsequenzen, die in England und Frankreich gedreht wurden, LIVE Spiel auf der Bühne kombiniert mit einer LIVE Band. Die Schauspieler singen selber, sie machen Tanzeinlagen (zusammen mit einer Tanzcrew) und alle dazugehörende Technik, die perfekt ineinandergreifen muss.
Die Zahlen hinter dieser Produktion lassen uns die Dimensonen etwas erahnen:
1‘000 Stunden Filmarbeit / 600 Stunden Proben / 100 Seiten Drehbuch / 20 geplante Aufführungen / 4 ausgebildete Musical¬Darsteller/innen / 3 Musiker / 1 Tanzcrew /
3 Zelte & 2 Baumstämme als Bühneneinrichtung und die erwähnte Technik…

Jonathan Schmidt, der Leiter von CentralArts hat einen Text geschrieben, der das Schaffen von Maya Heusser treffend beschreibt:

Wenn du für andere interessant sein willst, dann sei zuerst an anderen interessiert. Maya Heusser verkörpert für mich diese Lebensweisheit in besonderem Masse. Ich bin immer wieder beeindruckt, mit welcher Hingabe und welchem Detailinteresse sie als Drehbuchautorin neue Figuren für ihre Stücke entstehen lässt. Als Regisseurin findet sie dann einen Weg, diese Figuren für alle zugänglich – oder eben interessant – auf die Bühne zu bringen. Maya Heusser schafft es, dem echten Leben vielschichtige, tiefgründige und oft auch humorvolle Momente abzuringen. Wie gut diese tatsächlich beobachtet und ausgestaltet sind, erkennt man, wenn sie live aufs Publikum treffen. Dieses setzt sich aus allen Generationen zusammen. Und durch alle Generationen hindurch nehme ich immer wieder dieselben Reaktionen wahr: Da hat uns jemand erkannt; da hat jemand sehr sorgfältig zugehört und zugesehen. Ich bin überzeugt, das ist Mayas grossem Interesse an Menschen zu verdanken. Genau das macht sie für mich als Schreiberin und Regisseurin so interessant.

Aus all den genannten Gründen möchten wir heute «bühnenreif» und Dir, Maya, den PrixPlus Förderpreis von ARTS+ überreichen. Möge Dir und Deinem ganzen Team dieser Preis viel Rückenwind geben. Dass Deine Fantasie und Inspiration aus immer neuen Gewässern unerwartete Schätze bergen kann, die viele Zuschauerinnen und Zuschauer berühren, beglücken, betreffen und segnen werden.

Vielen Dank – und Dir und dem ganzen Team alles Gute!
Jean-Daniel von Lerber
Vorstand ARTS+

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Künstlerportrait

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Micha Aregger

Skulptur, Installation, Malerei, Bildende Kunst, Objekte
Aufgewachsen bin ich in Buttisholz. Nach einer technischen Berufslehre, studierte ich 5 Jahre an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern und schloss 2004 ab. In der darauffolgenden Zeit hat sich, durch das wachsende Interesse an Naturwissenschaften, meine charakteristische, organische
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