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25.
April
2023

“…make it a real angel” / “…dann lass es ein echter Engel sein”

ENGLISH

John Updike (1932-2009) is considered one of the great American authors of the 20th century. As a young student at Harvard in the 1950s, he took part in a competition organised by the Lutheran Church in Marblehead, MA. The mere fact that such a competition formed part of a Christian art festival is remarkable. Slightly less remarkable was the prize of 100 USD, which the winner immediately returned to the church as a donation. The name of the winner was Updike.
The poem he submitted took first place. In the meantime it has become one of the best-known modern Easter poems and has a simple title «Seven Stanzas at Easter».

Make no mistake: if He rose at all
it was as His body;
if the cells’ dissolution did not reverse, the molecules
reknit, the amino acids rekindle,
the Church will fall.

It was not as the flowers,
each soft Spring recurrent;
it was not as His Spirit in the mouths and fuddled
eyes of the eleven apostles;
it was as His flesh: ours.

The same hinged thumbs and toes,
the same valved heart
that–pierced–died, withered, paused, and then
regathered out of enduring Might
new strength to enclose.

Let us not mock God with metaphor,
analogy, sidestepping, transcendence;
making of the event a parable, a sign painted in the
faded credulity of earlier ages:
let us walk through the door.

The stone is rolled back, not papier-mâché,
not a stone in a story,
but the vast rock of materiality that in the slow
grinding of time will eclipse for each of us
the wide light of day.

And if we will have an angel at the tomb,
make it a real angel,
weighty with Max Planck’s quanta, vivid with hair,
opaque in the dawn light, robed in real linen
spun on a definite loom.

Let us not seek to make it less monstrous,
for our own convenience, our own sense of beauty,
lest, awakened in one unthinkable hour, we are
embarrassed by the miracle,
and crushed by remonstrance.

An in-depth interpretation is unnecessary, for the poem is not difficult to understand. Here is a brief summary of its message: The resurrection was a real event and not a product of the imagination (stanzas 1,2). If we theologise this fact away, we mock God; (3) later, this will catch up with us in two ways: First of all, when we ourselves are confronted with the reality of death (5). At that moment, we will do well not to place our hope in an imaginary angel (6). Secondly, we may at some point make the painful discovery that our unbelief, with which we had degraded the supposed «credulity» of earlier times to a mere symbol (4), was a lie (7).
Unlike many artists (and writers in particular), Updike never abandoned the faith of his youth. In an interview, he later said, “I have been a churchgoer in three Protestant denominations—Lutheran, Congregational, Episcopal—and the Christian faith has given me comfort in my life and, I would like to think, courage in my work. For it tells us that truth is holy, and truth-telling a noble and useful profession; that the reality around us is created and worth celebrating; that men and women are radically imperfect and radically valuable”
He valued Karl Barth and Søren Kierkegaard. In his autobiographical poem Midpoint, Updike quotes Karl Barth’s assertion that “a drowning man cannot pull himself out by his own hair.” In an interview about the poem he said that he believed this meant “here is no help from within—without the supernatural, the natural is a pit of horror. I believe that all problems are basically insoluble and faith is a leap out of despair.”

Text: Beat Rink / Translation: Bill Buchanan 
The «Seven Stanzas at Easter» are published in: Telephone Poles and Other Poems, New York: A. Knopf, 1963, p. 72


DEUTSCH
   
John Updike (1932-2009) gilt als einer der grossen amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Als junger Harvard-Student nahm er in den 1950-er Jahren an einem Wettbewerb teil, den die  lutherische Kirche von Marblehead, MA, ausgeschrieben hatte. Allein schon die Tatsache dieser Ausschreibung im Rahmen eines christlichen Kunst-Festivals ist bemerkenswert. Weniger bemerkenswert war das Preisgeld von 100 USD, das der Preisträger der Kirche gleich wieder zurückspendete. Der Preisträger hiess Updike.
Er hatte ein Gedicht eingereicht und damit gewonnen. Es zählt mittlerweile zu den bekanntesten modernen Ostergedichten und trägt  den einfachen Titel «Sieben Strophen zu Ostern».

Irrt euch nicht: Wenn er überhaupt auferstand,
so war es Sein Leib;
wenn der Zelltod nicht rückwärts lief,
die Moleküle sich nicht wieder verknüpften,
die Aminosäuren nicht wieder Hitze fingen
wird die Kirche fallen.
 
Es war nicht wie bei den Blumen,
die mit dem milden Frühling wiederkehren,
es war nicht wie sein Geist
auf den Lippen und vor den benebelten Augen der elf Apostel,
es war wie sein Fleisch: unseres.
 
Dieselben gelenkigen Finger und Zehen
Dasselbe Herz mit denselben Klappen
das – durchbohrt – starb, verwelkte, still stand
und dann, unter gewaltig einwirkender Macht 
sich wieder sammelte
und neue Kraft in sich aufnahm.
 
Lasst uns Gott nicht verhöhnen mit Metaphern,
mit Analogien, mit Ausflüchten und mit der Rede von Transzendenz,
das Geschehen in ein Gleichnis verwandelnd,
in ein Zeichen, gemalt in die verblasste
Leichtgläubigkeit alter Zeiten:
Lasst uns durch die Tür hindurchgehen.
 
Der Stein ist zurückgerollt; er ist nicht aus Pappmaché,
es ist auch kein Stein aus einer erdachten Geschichte,
es ist jener riesige Fels aus wirklicher Materie
der im langsamen Mahlen der Zeit
jedem von uns helle Tageslicht verfinstern wird.
 
Und wenn wir einen Engel am Grab haben werden,
dann lass es ein echter Engel sein,
mit dem ganzen Gewicht der Quanten von Max Planck,
mit richtigem Haar, das die Morgenröte auffängt,
und in echtes Linnen gekleidet,
auf einem wirklichen Webstuhl gesponnen.
 
Machen wir das Ungeheuerliche nicht klein,
nur unserer eigenen Bequemlichkeit
und unserem Schönheitsempfinden zuliebe,
damit wir dann nicht, in einer unabsehbaren Stunde geweckt,
uns vor diesem Wunder schämen 
und unter der Anklage des erdrückenden Gegenbeweises zerbrechen.

Eine eingehende Interpretation erübrigt sich, denn das Gedicht ist nicht schwierig zu verstehen. Kurz zusammengefasst, lautet seine Botschaft: Die Auferstehung war ein wirkliches Ereignis und keine Einbildung. (Strophen 1,2). Theologisieren wir diese Tatsache weg, verhöhnen wir Gott. (3) Dies wird uns später auf zweifache Weise einholen: Erstens, wenn wir selber mit der Realität des Todes konfrontiert werden (5). Dann tun wir gut daran, nicht auf einen fiktiven Engel zu hoffen (6). Zweitens könnten wir einmal erfahren, dass unser Unglaube, mit dem wir die vermeintliche «Leichtgläubigkeit» alter Zeiten zum symbolischen Zeichen degradiert hatten (4), auf schmerzvolle Weise Lügen gestraft wird (7).
Updike gab, anders als viele Künstler (und vor allem Schriftsteller) seinen Jugend-Glauben nie auf. In einem Interview sagte er einmal: “Ich war Kirchgänger in drei protestantischen Konfessionen – der lutherischen, der kongregationalistischen und der episkopalen – und der christliche Glaube hat mir Trost in meinem Leben und, wie ich glauben möchte, auch Mut zu meiner Arbeit gegeben. Denn er sagt uns, dass die Wahrheit heilig ist und dass das Erzählen der Wahrheit ein edler und nützlicher Beruf ist; dass die Wirklichkeit um uns herum Teil der Schöpfung und es wert ist, gefeiert zu werden; dass Männer und Frauen zutiefst unvollkommen und zutiefst wertvoll sind.».
Updike schätzte Karl Barth und Søren Kierkegaard sehr. In seinem autobiografischen Gedicht Midpoint zitiert er Karl Barths Aussage, dass “ein Ertrinkender sich nicht an seinen eigenen Haaren herausziehen kann”. In einem Interview zu diesem Gedicht sagte er, “dass es keine Hilfe von innen gibt;  ohne das Übernatürliche ist das Natürliche ein Abgrund des Grauens. Ich glaube, dass alle Probleme im Grunde unlösbar sind und der Glaube ein Sprung aus der Verzweiflung heraus ist.»
 
Text: Beat Rink
Die «Seven Stanzas at Easter» wurden in der englischen Fassung publiziert in: Telephone Poles and Other Poems, New York: A. Knopf, 1963, p. 72. Deutsche Fassung: Beat Rink / Bill Buchanan

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Künstlerportrait

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Micha Aregger

Skulptur, Installation, Malerei, Bildende Kunst, Objekte
Aufgewachsen bin ich in Buttisholz. Nach einer technischen Berufslehre, studierte ich 5 Jahre an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern und schloss 2004 ab. In der darauffolgenden Zeit hat sich, durch das wachsende Interesse an Naturwissenschaften, meine charakteristische, organische
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