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11.
Dezember
2013

Lukasevangelium 15,11-32

„Ein Mensch hatte zwei Söhne. Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört…“

Der Advent ist neben der Passionszeit eine Fastenzeit, eine Zeit des Wartens und Ausharrens. Viele alte deutsche Adventslieder beschreiben sie, ausgehend von biblischen Bildern und Metaphern, mit den Worten „Tochter Zion“, „Es kommt ein Schiff geladen“ usw.

Wie ergeht es uns in dieser Zeit? Sicherlich sind viele von uns fleissig dabei, adventliche und vorweihnachtliche Musik zu gestalten. Haben wir dann überhaupt noch Gelegenheit und eine gweisse innere Bereitschaft, zu warten, etwas zu erwarten?

Jesus erzählt vom Warten – und von enttäuschten Erwartungen – in der Geschichte vom verlorenen Sohn.

1) Der Vater wartet im Stillen auf die Rückkehr seines jüngeren Sohnes. Wir lesen nichts von diesem Warten, können es aber erahnen. Sein jüngerer Sohn hat sich offiziell vom ihm losgesagt: Eigentlich kann er ja ein Erbe nur antreten wenn der Vater schon tot ist – und trotzdem er fordert er unverschämterweise 50% des Erbes statt den ihm eigentlich als Jüngeren zustehenderen geringeren Erbteil. Traditionellerweise erhielt der erstgeborene Sohn einen doppelt so großen Erbteil wie die anderen Kinder.

2) Der jüngere Sohn gerät in eine mitverschuldete Fastenzeit: Selbst Schweinefutter, eigentlich unverdaulich für Menschen, wird ihm in der Hungersnot verwehrt. So kehrt er ausgehungert nach Hause zurück. Sein Warten, sein „Zwangsfasten“ ist ein Ausharren – sicherlich ohne grosse Erwartungen, dass er wieder angenommen werden wird.

3) Der ältere Sohn ist schockiert über den überschwänglichen Empfang seines jüngeren. Er wartet vor der Tür, unschlüssig darüber, was er tun soll. Sein Warten kommt aus Verweigerung und Trotz. Auch er scheint keine klaren Erwartungen zu hegen; er hält inne und betritt das Haus nicht. Er muss erst einmal seine Wut verstehen, sie bändigen und ihr Ausdruck geben.

Drei Aspekte sind für mich hier besonders spannend:

1) Warten kann eine stille Hoffnung auf Versöhnung sein. Der Vater hat seinem verlorenen Sohn von Herzen vergeben. Diese Vergebung führt zu einer großen Freiheit: Der Vater ordnet sofort an, dass ein großes Fest gefeiert wird. Sein Ausharren und Hoffen hat ihn selber frei gemacht.

2) Warten kann ein verzweifeltes Warten und Fasten sein, wenn uns der Boden unter den Füssen weggezogen wird, wenn es bedrohlich wird und – wie im Falle des jüngeren Sohnes – das Überleben nicht gesichert ist. Dieses Warten führt bestenfalls weg von Verzweiflung und Schmerz – hin zu einer tiefen Einsicht über die eigenen Fehler. Es kann Umkehr bewirken.

3) Warten kann ein Innehalten sein im Moment des drohenden Chaos oder Konflikts. Der ältere Sohn geht nicht hinein ins Haus. Statt dessen verweilt er draussen und beginnt einen Streit. Es muss jemand auf ihn zukommen: Der Vater, dem er seine Empfindungen mitteilen kann. Warten, innehalten statt blind in einen Konflikt laufen – das kann auch ein Signal für andere sein und heissen, diesen die Möglichkeit zu geben, auf einen zuzukommen, wenn die Situation verfahren scheint.

In all diesen Fällen ist Warten keine abstrakte Idee, sondern eine aktive Handlung mitten im Leben. Im Angesicht von Zerbrochenheit in uns und in der Welt gilt es, innezuhalten, auszuharren, umzukehren und, getragen von Gott, zu hoffen. Wir dürfen in dieser Adventszeit, selbst im Arbeitsdruck, wieder Ausschau halten und hoffen auf eine neuen Begegnung mit dem eingeborenen Sohn Gottes: mit Jesus Christus, der mit uns in dieser Welt ausharrt und der mit uns alles Leiden teilen will, das vergangene wie das kommende.

Der Jazzmusiker Brian Blade, der die Geschichte des verlorenen Sohnes vertont hat, empfindet es als eine der zentralen Aufgaben des Musikers, seinen Zuhörern Heilung zu bringen. Heilung ist nur möglich, wo wir ausharren und warten können. Wo wir Vergebung üben und auf Aussöhnung hoffen wollen. Und wo wir schliesslich Zerbrochenes wahrnehmen und uns ihm zuwenden wie der Vater in der Geschichte vom verlorenen Sohn.

Tune In vom 11. Dezember 2013 | Text: Uwe und Lauren Steinmetz-Franklin

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