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21.
Juni
2015

Künstler in der Kirche / Teil II: “Menschen wollen in einem Gottesdienst etwas erleben”

Wir möchten in einer neuen Reihe von TUNE INs fragen: Wie können Künstler in der Kirche dienen? Warum ist das Engagement von Künstlern in der Kirche wichtig? TUNE IN 128 hatte das Thema: Gotteslob. Hier zitieren wir einige bemerkenswerte Aussagen von Pfr. Ulrike Bittner und Pfr. Dr. Wolfgang J. Bittner, beide sehr interessante Theologen – und auch grosse Kunstkenner, die professionelle Künstler in ihre Gottesdienste integrieren. Sie haben in den Crescendo-Zeitschriften 79 und 80 zum Thema “Kunst in der Kirche” ein Interview gegeben, aus dem wir einige Abschnitte zitieren.

Wie kann der Bereich der „Kunst“im kirchlichen Leben zur Geltung kommen? Soll er es überhaupt?

Wolfgang Bittner: Ich empfinde unsere Kirche in der Art, wie sie sich nach aussen präsentiert, als zu intellektuell. Dabei bin ich sehr gern ein Intellektueller, aber das darf nicht zur Einseitigkeit verkommen. Wenn Gott sich in dieser Welt ausdrückt, dann so, dass es mit allen Sinnen erfahrbar ist. Und so sollte es in der Kirche Angebote geben – es gibt sie auch teilweise –, die die Sinne der Menschen einbeziehen und einsetzen, um auf Gott hinzuweisen.

Ich bin auch überzeugt, dass genau dies die Menschen suchen. Gedanken können gut und originell sein. Doch sie gehen schnell vorbei.Was die Menschen eigentlich suchen: dass sie berührt werden und mit der Erfahrung aus der Kirche herausgehen, jemanden begegnet zu sein! Die Kunst hat sehr viele Möglichkeiten, eine solche Begegnung überhaupt zu ermöglichen – ganz andere als wir mit dem Wort. Ich wünsche mir für die Gottesdienste deshalb auch noch andere Kunstsparten: Schauspiel, Tanz, Rezitation…


Nun kann ja Kunst auch illustrativ sein, also ein Bibelwort illustrieren. Der Künstler möchte aber nicht unbedingt nur illustrieren, sondern etwas gestalten, das möglicherweise nicht so eindeutig, nicht so leicht verständlich ist und das vielleicht zunächst auch etwas Irritierendes hat. Etwas, das ins Fragen hineinführt. Hat das Platz in der Kirche?

Wolfgang Bittner: Wenn ein Gottesdienst nur direktive Elemente enthält, die der Gemeinde sagen, was zu tun und was zu denken ist, dann ist das ja auch kein Gottesdienst. Wort und Musik müssen etwas Offenes haben. Es darf aber nicht alles offen sein! Doch damit jenes, was klar gemeint ist, auch ankommen kann, braucht es eben das Öffnen der Gefühle – etwa durch die Musik. Nur so kann es die Menschen erreichen. Kunst und Musik dürfen nicht zu verzweckt sein. Ich empfinde Lobpreismusik manchmal als zu verzweckt; sie führt zu sehr in eine bestimmte Richtung und ihr fehlt gerade diese Offenheit.

Wie ist dies theologisch zu verstehen? Unter Offenheit versteht ihr kaum Beliebigkeit, sondern eher das Angebot an den mündigen Gottesdienst-Besucher, das herauszupflücken, was für ihn wichtig ist. Stimmt das?
Wolfgang Bittner: Wir rechnen damit, dass der Geist gerade in dieser Offenheit einen Menschen so führt, dass er bestimmte Dinge für sich als wichtig erkennen kann. Und zwar nicht unbedingt nur das, was der Pfarrer vorher gesagt hat.


Welche künstlerischen Elemente könnten Eurer Meinung nach den Sonntags-Gottesdienst bereichern?

Ulrike Bittner: Ich denke etwa an das Abendmahl. Mir fällt auf, dass es oft etwas Schwermütiges hat. Man könnte es aber künstlerisch anders gestalten. Statt mit düster-schaurigen Orgelklängen etwa mit Anbetungsmusik. Wobei ich nicht unbedingt den modernen Anbetungsstil meine, den wir in den heutigen Kirchen pflegen. Ich empfinde ihn manchmal als zu direktiv. Anbetung ist noch viel weiter.

Ich weiss nicht, ob Künstler die Freiheit hätten, an solchen Stellen auch einmal etwas Eigenes zu gestalten. Die Anbetung dürfte also noch mehr zum Zug kommen. Wenn wir die Psalmen lesen, sehen wir, dass jeder Psalm in ein Gloria übergeht. Die Gemeinde könnte ein Psalmgebet sprechen oder ein Organist könnte etwas gestalten, das in die Anbetung hineinführt.

Die Schönheit und Würde mancher Gottesdienst-Teile könnten neu ins Bewusstsein rücken, wenn sie künstlerisch-anbetend gestaltet würden. Dies entspricht ja auch der ursprünglichen liturgischen Absicht.
Würdest du dich nicht scheuen, ein nicht-christliches Gedicht mit einzubeziehen?

Wolfgang Bittner: Mir kommt es nicht darauf an, ob es christlich oder nicht-christlich ist, sondern ob es gute oder keine Kunst ist. Jede gute Kunst hat etwas Öffnendes und setzt für Antworten frei statt direktiv Antworten zu geben. (…) Ein solches Gedicht wird ja in einer Kirche gelesen. In diese Offenheit hinein kommt dann das Bibelwort, das Deutungsangebot.

Ob das Deutungsangebot hörbar wird oder nicht, liegt nicht in unserer Hand. Die einzige Gefahr besteht dort, wo ein Künstler eine Botschaft vermittelt, die in sich ideologische, missionarische Züge hat. Dann wird es unmöglich sein, seine Kunst in den christlichen Gottesdienst einzubetten. Aber die meisten Kunstwerke sind dies ja nicht. Das Wort “missionarisch” trifft möglicherweise auch auf christliche Kunst zu.
Was ist dann mit christlicher Kunst, die eine klare christliche Aussage hat?
Ulrike Bittner: Auch da würde ich zuerst prüfen, ob es sich um gute oder schlechte Kunst handelt. Wir hatten in der Gemeinde einen Volkschor. Er sang ganz fromme Lieder. Diese haben aber nichts geöffnet und auch keine Antworten gegeben. Die christliche Botschaft kam überhaupt nicht rüber.


Kann man sagen, dass gute Kunst nichts Ideologisches hat?

Wolfgang Bittner: Gute Kunst hat immer eine Botschaft. Sie muss deswegen noch nicht ideologisch sein. Es gibt auch Kunst mit einer ganz dezidierten Botschaft. Dieser sollte man nun nicht einen anderen Sinn unterjubeln wollen. Und man sollte sie nicht gegen ihre eigene Absicht für den Gottesdienst instrumentalisieren.

Andererseits gibt es keine andere Bewegung, die so nahe an der Ideologie ist wie das Christentum. Und deshalb sind wir so gefährdet, ideologisch zu werden. Was ich mir schwer vorstellen kann: Dass das Werk eines Malers oder Bildhauers, der das Zerstörerische in der Welt aufzeigen will, in einem Gottesdienst Platz hat und die Besucher für das Hören auf Gott öffnet. Vielleicht wäre dies sogar möglich; das Werk müsste dann aber mit größter Sorgfalt eingeführt werden.


Kann Kunst auch etwas Prophetisches haben?

Wolfgang Bittner: Prophetisch heißt ja “Eine Ansage machen über etwas, was jetzt dran und notwendig ist.” Musik bringt dieses Notwendige oft ein – insofern als Menschen zu sich selbst geführt und innerlich wieder geordnet werden.

Musik ist nicht einfach beliebig. Kunst hat immer etwas Aufdeckendes. Paul Klee sagt: Kunst lehrt sehen. Und Kunst zwingt uns beinahe, etwas nicht mehr zu übersehen. Vielleicht hilft sie auch etwas sehen, was Gott in einer bestimmten Situation zeigen möchte?

 


TUNE IN 129 vom 21. Juni 2015 | Das Interview führte Beat Rink, Präsident von ARTS+|Weitere TUNE INs findest Du hier

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Künstlerportrait

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Micha Aregger

Skulptur, Installation, Malerei, Bildende Kunst, Objekte
Aufgewachsen bin ich in Buttisholz. Nach einer technischen Berufslehre, studierte ich 5 Jahre an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern und schloss 2004 ab. In der darauffolgenden Zeit hat sich, durch das wachsende Interesse an Naturwissenschaften, meine charakteristische, organische
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