Mit Kunst und Musik durch die Psalmen mit Gott in Dialog treten
Friesenberg Kirche Zürich, Bus 32, 89, 73 bis Bushaltestelle Friesenbergstrasse
Es bringt gewisse Vorteile mit sich, wenn die eigene Frau Theologie studiert. Zum Beispiel, dass man miteinander endlose theologische Diskussionen führen kann. Natürlich vorausgesetzt, man mag das. Letzte Woche war meine Frau mit der Studienlektüre etwas in Verzug. Da wir lange mit dem Auto unterwegs waren, schlug sie vor, die Texte laut vorzulesen. Eine wundervolle Idee! Vor allem weil das Thema Martin Luther King Jr. (1929-1968) lautete und ich so in den Genuss kam, vier seiner Reden zu hören. Bis dahin hatte ich nur einige Dinge über ihn gewusst: Dass er ein Held der „Civil Rights“-Bewegung gewesen war und die Rede „I have a dream“ gehalten hatte. Es war unglaublich! Die letzte Rede, die mir meine Frau vorlas, rührte mich zu Tränen. So sehr packte mich die Botschaft. Es war die letzte Rede vor seiner Ermordung. Es lohnt sich, die Rede zu lesen oder sich anzuhören. Hier der LINK dazu.
Was hier über den egoistischen „Tambourmajor-Instinkt” gesagt wird, bewegte mich zutiefst. Es ist offensichtlich schwierig, das eigene Ego zu zügeln. Im Extremfall verhält es sich damit so: Hast du zu wenig Selbstbewusstsein, wirst du assozial und depressiv, weil du niemanden mit deiner Gegenwart belasten willst. Hast du zu viel davon, wirst du asozial und depressiv, weil niemand mit dir etwas zu tun haben will. Lasst mich kurz mit Martin Luther Kings Worten erklären, was mit dem der “Tambourmajor-Instinkt” gemeint ist: „Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass wir alle den Tambourmajor-Instinkt haben. Wir alle wollen wichtig sein, andere übertrumpfen, Einzigartigkeit beweisen und die Parade anführen.”
In meinem eigenen Leben machte sich der der “Tambourmajor-Instinkt” am ehesten dort bemerkbar, wo ich den Klassen-Kaspar spielte und spiele. Menschen, die mich gut kennen – und auch ehemalige Klassenkameraden – können dies bestätigen. Ich wollte immer der Klassenclown sein. Statt über das jeweilige Unterrichtsthema nachzudenken, war ich immer dabei, mir einen Witz oder ein Wortspiel auszudenken. Manche waren lustig, andere weniger. Wenn ich dann vor die Klasse treten musste, um etwas zu präsentieren, war es immer seltsam, denn ich fühlte mich unwohl und verhielt mich zugleich schüchtern. Das hat sich natürlich etwas verändert, aber nicht vollständig.
Als Musiker fühle ich mich manchmal zwischen Selbstkritik und dem dringenden Wunsch, auf der Bühne zu stehen, hin- und hergerissen.
Natürlich bin ich weit von jener technischen Perfektion entfernt, die mir vorschwebt. Trotzdem will ich mich musikalisch ausdrücken, denn das habe ich gelernt, und das ist mein Beruf. Seit ich im Ausland lebe, merke ich, wie sehr dies auch mit meiner kulturellen Herkunft zu tun hat: Mit dem typisch elitären Denken, das in Frankreich herrscht. Dort bewirkt der gesellschaftliche Druck nicht selten, dass man sich als völlige Null fühlt, nur weil man nicht mit absoluter Bestnote an der renommiertesten Schule abgeschlossen hat. Gleichzeitig wächst man mit der Devise auf: Wir haben die beste Architektur, das beste demokratische System, die besten Weine, den besten Käse, die besten Skiorte…
Deshalb möchte ich heute vor allem zwei Dinge tun:
Ich will mir selbst sagen, dass es völlig in Ordnung ist, aufzutreten, selbst wenn ich nicht über das technische Niveau verfüge, das manch andere Musiker haben, die ich bewundere.
Zweitens will ich meinen Tambourmajor-Instinkt umpolen und ihn für höhere Ziele einsetzen. Ich will ein Tambourmajor sein für Gerechtigkeit, Friede und Rechtschaffenheit. Das soll die Motivation für meinen Alltag sein.
Text: Jean Chaumont, Jazz-Musiker
Übersetzung: Johanna Schwarzl
Ganzer Text HIER