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11.
Februar
2017

„Ihr habt nicht getanzt… ihr habt nicht geweint…“

Wer die Gemälde von Pieter Brueghel d. Älteren betrachtet, auf denen biblische Szenen dargestellt sind, entdeckt etwas Merkwürdiges: Die biblischen Szenen stehen gar nicht im Zentrum des Geschehens. Sie sind eher eine Nebensache, denn der Alltag nimmt seinen gewohnten Gang. Oder das Geschehen ist ein willkommener Anlass zu allerhand Begegnungen, Geschäftemachereien oder Volksvergnügungen. Der britische Schriftsteller W.H. Auden (1907-1973), unter anderem bekannt durch seine Libretti für Igor Strawinsky (“The Rake’s Progress”) und für Hans Werner Henze (“Die Bassariden” und “Elegie für junge Liebende”), schrieb 1938 nach dem Besuch des Kunstmuseums Brüssel das Gedicht “Musée des Beaux Arts“. Er nimmt auf großartige Weise Bezug auf die dort ausgestellten Bilder Pieter Brueghels d. Älteren (1568-1625) und auf die eben erwähnte Eigenart dieser Bilder:

Was das Leiden betrifft, so lagen sie niemals falsch,
die Alten Meister: Wie gut sie doch wussten,
was es uns Menschen bedeutet: wie es eintritt,
während jemand gerade etwas isst oder ein Fenster öffnet oder blöd umhergeht; wie Kinder, wenn die Alten ehrfürchtig und voll Inbrunst
auf die wundersame Geburt warten, Schlittschuh laufen,
als sei ihnen das alles eher lästig,
auf einem gefrorenen Teich am Waldrand:
Nie geriet bei ihnen in Vergessenheit,
dass selbst das entsetzlichste Martyrium seinen Lauf
in einer Ecke nehmen muss,
in irgendeinem unaufgeräumten Winkel,
wo die Hunde ihr Hundeleben feiern, oder wo das Pferd des Folterknechts
seinen ahnungslosen Hintern an einem Baum schrubbt.

Bei Brueghels Ikarus zum Beispiel: wie alles sich abwendet,
gemächlich abwendet vom Unheil; der Mann am Pflug
mag den Platsch gehört haben, den einsamen Schrei,
doch für ihn war das kein Unglück, das einen was anging; die Sonne schien,
weil eben scheinen muss, auf die weissen Beine,
die im grünen Wasser versanken,
und das kostbar verzierte Schiff,
das etwas Erstaunliches sah:
einen Knaben, der vom Himmel fällt,
suchte ein anderes Ziel und segelte ruhig weiter.

Die Bilder, auf die Auden wahrscheinlich Bezug nimmt, sind oben einkopiert. (Speziell ist, dass der Kindermord zu Bethlehem teilweise übermalt wurde, so dass keine getöteten Kinder mehr zu sehen sind.) Unten habe ich einen gähnenden Kopf eingefügt, der ebenfalls in Brüssel zu sehen ist, und der Auden vielleicht ebenso inspiriert hat.
Dass die biblische Botschaft für viele ihrer Augenzeugen zum Gähnen ist, dass das dramatische Geschehen gar nicht unbedingt das zentrale Thema der Bilder ist, – gerade dies ist nun eben ihr zentrales Thema. Natürlich geht die ursprüngliche Botschaft dahinter überhaupt nicht verloren.

Vielmehr fragt Brueghel die damaligen Menschen – und vor allem auch uns, die wir im Kunstmuseum von Bild zu Bild schlendern: „Lasst ihr euch eigentlich noch von diesem dramatischen Geschehen berühren, das ich gemalt habe?“ Jesus sagt über die Schriftgelehrten und Pharisäer, die die Botschaft von Johannes dem Täufer an “Wem soll ich die Menschen dieses Geschlechts vergleichen, und wem sind sie gleich? Sie sind gleich den Kindern, die auf dem Markte sitzen und rufen gegeneinander und sprechen: Wir haben euch gepfiffen, und ihr habt nicht getanzt; wir haben euch geklagt, und ihr habt nicht geweint.“ (Lukas 7, 30ff.)

Ein seltsames Wort, das einer ausführlicheren Auslegung bedürfte. Aber wir erkennen darin dieselbe Frage, die Brueghel auch stellt: „Lassen wir uns dazu einladen, die Botschaft zu hören und anzunehmen – oder lässt sie uns kalt?“ Im Blick auf die Menschen um uns herum müssten wir aber auch fragen:
Haben unsere Freunde, Arbeits- und Künstlerkollegen überhaupt noch eine Chance, die biblische Botschaft zu hören und vor allem glaubwürdige Christen kennen zu lernen?
Wie können wir ihrem negativen Bild von „Kirche und Gott“ ein anderes entgegensetzen?
Wie können wir vermitteln, dass die biblische Botschaft noch relevant ist?

Nehmen wir uns etwas Zeit, um darüber betend nachzudenken – und lassen uns inspirieren…

Text: Beat Rink

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