Mit Kunst und Musik durch die Psalmen mit Gott in Dialog treten
Friesenberg Kirche Zürich, Bus 32, 89, 73 bis Bushaltestelle Friesenbergstrasse
Lachen und Situationskomik in der Bibel?
Es gibt in Lukas 8, 40-56 zumindest eine weitere Szene (über die in TUNE IN 208 behandelte hinaus), die dem Leser ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Es ist ein verhaltenes Lächeln, kein satirisches Lachen. Jesus merkt, wie eine Kraft von ihm ausgeht, weil ihn jemand auf besondere Weise angerührt hat. Der Leser weiss: Es ist die Frau mit Blutfluss. Nun verwundert sich sowohl der Evangelist als auch Petrus, dass Jesus fragt: „Wer hat mich angerührt?“ Denn es gibt ein grosses Gedränge um Jesus herum. Wie kommt er dann auf Idee, so zu fragen?
Diese Szene hat eine gewisse Situationskomik. Um eine Situation als komisch zu erfahren, braucht es jedoch einen Beobachter mit Humor. (Kleine Zwischenfrage: Man stelle sich einen Jesus-Film vor, in dem solche Situationskomik verfilmt wird. Undenkbar! Sind die Jesus-Filme und ist unser Bild von Jesus vielleicht zu doketisch?)
Lukas hatte wahrscheinlich Humor. Dies lässt auch sein Bericht in Apostelgeschichte 12 vermuten: Petrus wird von einem Engel aus dem Gefängnis befreit und geht nun zum Haus seiner Freunde. Als er dort an die Haustür klopft und die Magd Rohde den Apostel sieht, läuft sie vor Aufregung zu ihrer Herrschaft – und lässt Petrus vor verschlossener Tür stehen und geduldig weiterklopfen. Der arme Petrus wird gerade aus dem Gefängnis befreit und steht schon wieder vor verschlossener Tür!
In Johannes 21,7 findet sich eine andere Situationskomik, auf die der Gräzist und Literaturwissenschafter Walter Jens (1923-1913) hingewiesen hat: Petrus erblickt vom Boot aus den Auferstandenen und schwimmt nun zu ihm, zieht sich aber vorher noch voller Aufregung die Kleider an, um ja nicht nackt vor seinen Herrn zu treten. Nun, wie schwimmt es sich in Kleidern? – Schon wieder Petrus…Fast scheint, als sei Petrus im Kreis der Jünger die „Lachnummer“ gewesen. Vielleicht ist er selber ab und zu geneckt und wegen seiner Ungeschicklichkeit und Impulsivität liebevoll gehänselt worden.
Eine letzte Lach-Szene in Lukas 8 kommt uns aus dem Vers 53 entgegen. Hier allerdings wird Jesus sozusagen ausgelacht. Man versteht nicht, dass er mit einem anderen, göttlichen Blick erkennt: Dieses tote Mädchen ist noch nicht wirklich im Totenreich angekommen; es ist zwar eingeschlafen, aber nicht für immer. Dieses Lachen gleicht jenem von Sara, die nicht glauben kann, dass ihr Gott noch in hohem Alter Nachwuchs schenken will. (Genesis 18,12) Es ist das Lachen der Menschen, denen Gottes Wirken zu wunderbar und unglaubwürdig ist.
Zurück zur oben gestellten Frage in der Klammer: Ist unser Jesus-Bild, ist vielleicht unser Glaube zu doketisch? Doketisch heisst: “In schroffer Opposition zur irdischen Welt, zu den geschaffenen Dingen.” Doketismus ist ein unterschwelliger Grundzug in manchen Kirchen. Es gibt dafür kein theologisches Recht, denn Gott hat die Welt geschaffen. Und Jesus war „ganz Gott und ganz Mensch“! Der Doketismus könnte auch dafür mit-verantwortlich sein, dass Kunst in den Kirchen zu wenig geschätzt wird. Denn Kunst ist in sich anti-doketisch. Und er könnte auch der Grund dafür sein, dass in den Kirchen zu wenig gelacht oder zumindest gelächelt wird…
Fragen:
Was heisst das Gesagte für unsere Kunst – auch für unsere Kunst in der Kirche? Wo ist mein Glaube noch zu doketisch?
Text: Beat Rink