Mit Kunst und Musik durch die Psalmen mit Gott in Dialog treten
Friesenberg Kirche Zürich, Bus 32, 89, 73 bis Bushaltestelle Friesenbergstrasse
„Kunst gibt (wie Gott)
dem Unnützen Wert,
dem Wertvollen Nutzen,
dem Nützlichen zweckfreie Schönheit zurück.“
“Kunst gibt (wie Gott) Dem Wertvollen Nutzen…”
Stimmt diese Aussage? Gibt Kunst dem Wertvollen Nutzen?
Und Gott: Hilft er uns Menschen, nachdem er uns das Prädikat „wertvoll“ verliehen hat (siehe TUNE IN 163), „nützlich“ zu sein?
Als Protestant kenne ich eine seltsame Zurückhaltung, wenn es im Zusammenhang mit Glauben um „Nutzen“ geht.
Martin Luther betonte bekanntlich die „Rechtfertigung aus Glauben“ allein. Dieser zentrale Glaubenssatz, der übrigens längst auch von allen christlichen Kirchen unterschrieben wird, besagt, dass unser Heil allein im Glauben an Jesus Christus liegt. Luther wandte sich wie Paulus scharf gegen die „Werke“, das heisst gegen alle menschlichen Versuche, Gott gnädig zu stimmen. Menschliche Werke können also nicht „nützlich“ sein, wenn es um die Frage geht: Wie kann ich zu Gott gehören – hier und in Ewigkeit? Aber gerade in der protestantischen Kirche wurde dadurch leicht vergessen, was der Theologe Adolf Schlatter (1852-1938) so ausdrückt: „Geben ist seliger als nehmen, und Dienst das Ziel der Gnade. …Der Blick auf Gott und seine Gnade wirkt auf unser Wollen gleichzeitig sowohl beruhigend als bewegend… beruhigend, weil in Gottes Gnade, Gabe und Tat alles liegt was wir bedürfen… bewegend, weil Gottes Gnade, Gabe und Werk unserem Willen das Ziel und die Kraft gewährt…und uns zur Tat befähigt.“ (aus: Der Dienst des Christen in der älteren Dogmatik, 1897).
Dienst, Liebe, Frucht – dies sind biblische Synonyme für „Nutzen“, für die wir unzählige Stellen im Alten wie im Neuen Testament finden könnten. „Wer in mir bleibt, bringt viel Frucht“, sagt etwa Jesus in Johannes 15,5. Kürzlich hörte ich von einem Gemeindeleiter in einer Kleinstadt, der eines Tages die Frage stellte: „Wenn wir mit unserer Kirche nicht da wären – würde das überhaupt jemand merken?“ Die Diskussion darüber führte zu einem grossen Engagement der Kirche für diese Stadt.
Wir könnten auch die Frage stellen: „Merkt die Kunst-Szene eigentlich, dass es darin Künstler gibt, die Christen sind?“ – Leider haben auch viele Kirchen vergessen, solch knallharte Fragen zu stellen und daraus Schlüsse zu ziehen. Fragen wir deshalb nach dem „Nutzen“ unseres Christ-Seins – auch als Künstler! Eine erste Konsequenz daraus könnte sein, dass man die Gebets- und Dienst-Gemeinschaft mit anderen Künstlern sucht.
Nun zur zweiten Aussage: „Kunst gibt dem Wertvollen Nutzen“. Anders gesagt: Kunst kann etwas, das sie für darstellungs-würdig erachtet, für uns „fruchtbar“ machen. In meinem Büro hängt ein Bild von einem Brückenbau in Basel. Ich sehe es mir hin und wieder an; es spricht zu mir von der Mühsal täglicher Arbeit, unter der viele Menschen leiden. Der Basler Maler Rudolf Maeglin (1892-1971) hat ein Sujet, das lange für kunst-unwürdig galt (Arbeiter!), für darstellungs-würdig und für wertvoll befunden. Sein Bild erweist sich nun als lehrreich und nützlich.
Kunst kann natürlich auch Anderes wollen! Vor ein paar Tagen hat ein Theatermacher in der Schweiz dazu aufgerufen, einen Politiker aus dem rechten Lager zu verfluchen – und es gab dazu eine öffentliche Verfluch-(Kunst-)Aktion. Mit „Kunst“, die dem „Unnützen Wert und dem Wertvollen Nutzen“ gibt, hat dies nichts zu tun. Insofern ist dieser Satz: „Kunst gibt dem Wertvollen Nutzen“ normativ zu verstehen. Gefährlich wird er nur dort, wo wir genau definieren wollen, was „nützlich“ ist.
Aber „Dienst“, „Liebe“ und „Frucht“ lassen sich auch nicht präzise definieren oder messen. Sie lassen sich nur beschreiben. Oder man kann davon erzählen. Und da sind wir wieder sehr nahe bei dem, was Kunst auf so wunderbare Weise leisten kann….
Text: Beat Rink