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07.
Mai
2019

NZZ: Den Kirchen gelingt es immer weniger, intellektuell anspruchsvolles Publikum anzusprechen

Viele Intellektuelle fühlen sich in der Kirche kaum mehr verstanden und kehren ihr den Rücken. Und diejenigen, die gelegentlich einen Gottesdienst besuchen, sehen sich nicht ernst genommen. Sie bringen die Auslegung des Evangeliums in den Predigten nicht mit ihren intellektuellen Ansprüchen zusammen.

Auf meine Frage, wie er sich das erkläre, dass die Kirchen überall dort, wo am Karfreitag die Matthäus-Passion gespielt werde, zum Bersten voll seien, während sie in den Gottesdiensten grösstenteils leer blieben und es doch in beiden Fällen um die Passion Christi gehe, meinte der niederländische Dirigent und Bach-Spezialist Ton Koopmann: «Ich sehe einen wesentlichen Grund darin, dass die intellektuellen Erwartungen, die man immer noch mit den Predigten verbindet, oftmals sehr unbefriedigt bleiben und die Worte vieler Prediger weder unseren Kopf noch unser Herz erreichen.»

Koopman vermisst in den meisten Predigten eine intellektuell verantwortete Rechenschaft über den christlichen Glauben, die auch von dem im vergangenen Jahr verstorbenen Philosophen Robert Spaemann immer wieder angemahnt worden war. Spaemann, der sich als Intellektueller mit christlicher Verortung und scharfsinniger Kritiker des Zeitgeistes in den öffentlichen Diskurs einbrachte, konstatierte einen zunehmenden intellektuellen Substanzverlust in der Kirche.

Auch der evangelische Theologe Friedrich Wilhelm Graf, der sich zur Gruppe der Religionsintellektuellen zählt, beklagt eine zunehmende Eventisierung der Gottesdienste und beobachtet vielfältige Tendenzen der Trivialisierung und Infantilisierung der christlichen Freiheitsbotschaft. Laut Graf hängt die Erosion der Kirchen nicht zuletzt mit der zunehmenden Sprachlosigkeit vieler Theologen und Theologinnen zusammen, die in ihren Predigten auffällig oft den Psychojargon bedienen, ein Betroffenheitspathos zelebrieren und vor allem moralisieren würden: «Moralisieren ist nämlich eine intellektuell relativ anspruchslose Veranstaltung.»

Auch wenn man Graf nicht in all seinen Kritikpunkten beipflichten mag, so lässt es sich nicht beschönigen: Den Kirchen gelingt es immer weniger, ein intellektuell anspruchsvolles Publikum anzusprechen und zu überzeugen. Viele Intellektuelle haben den Eindruck, dass in den oftmals mit Anekdoten angereicherten, spirituell vernebelten und dem Zeitgeist angedienten Predigten elementare Spannungen und Widersprüche des Lebens kaum noch eine Rolle spielen und für die entscheidenden «letzten Fragen» kein Platz mehr bleibt. Manch einer stolpert auch darüber, dass in den Predigten auf den Skandal des Kreuzes Christi verwiesen und zugleich ein Kuschelgott offeriert wird, der niemanden infrage stellt und wenig erhellende Potenziale für den Umgang mit sperrigen Lebenssituationen anbietet.

Wen wundert es da, wenn Menschen bei anderen Sinndeutern als den Kirchen Antworten auf ihre elementaren Fragen von Leben und Tod suchen und dem Besuch eines Gottesdienstes jenen eines Konzerts, einer Theater- oder Opernvorstellung vorziehen: Orte, an denen laut dem Intendanten des Deutschen Theaters Berlin und ausgebildeten Theologen Ulrich Khuon immer auch die Frage nach Gott gestellt wird und man sich an den essenziellen Themen des Lebens wie Liebe, Tod, Schuld und Vertrauen abarbeitet. Oftmals sind es ja gerade Literaten und Regisseure, von denen man die interessantesten und anregendsten Gedanken zur Gottesfrage und zum Spannungsfeld von Glaube und Zweifel hört. Bei ihnen liessen sich durchaus Anleihen machen in Bezug auf die Predigtvorbereitung, insofern bei einer solchen kritische Glaubensnachdenklichkeit und inszenatorische Arbeit gefordert sind.

Gerade weil in den biblischen Texten produktiv gestritten und subtil argumentiert wird, gerade weil das Christentum – laut einer Formulierung von Hegel – eine denkende Religion ist, sollte in den Kirchen wieder vermehrt der Tatsache Rechnung getragen werden, dass Menschen intellektuelle Erwartungen haben und man als Theologe aufgrund einer langen und guten Ausbildung verpflichtet ist, Denkmühen aufzuwenden, um die innere Plausibilität des christlichen Glaubens auf der Höhe der Zeit darzulegen. Eine Predigt sollte gleichermassen zu Herzen gehen und intellektuell anspruchsvoll sein.

Béatrice Acklin Zimmermann ist habilitierte Theologin.

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Künstlerportrait

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Micha Aregger

Skulptur, Installation, Malerei, Bildende Kunst, Objekte
Aufgewachsen bin ich in Buttisholz. Nach einer technischen Berufslehre, studierte ich 5 Jahre an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern und schloss 2004 ab. In der darauffolgenden Zeit hat sich, durch das wachsende Interesse an Naturwissenschaften, meine charakteristische, organische
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