Mit Kunst und Musik durch die Psalmen mit Gott in Dialog treten
Friesenberg Kirche Zürich, Bus 32, 89, 73 bis Bushaltestelle Friesenbergstrasse
ENGLISH
We are coming up to Christmas. The story of Christmas is a provocation from start to finish. It is not only Herod who is provoked on Christmas Eve, but also our entire thinking and acting in human categories and structures.
It cannot be that the son of God comes into the world in a stable! On top of that, in a no-man’s-land in terms of world and social politics! Even as a 12-year-old, Jesus was provocative, and continued to be so along every step of his way as an adult: he did it, for example, by placing God above his parents, by honouring women in a male-dominated society, by eating with “sinners and tax-collectors”, by presenting a Samaritan as a good example, by calling children our models in faith – and above all by not exploiting his divine power, but letting himself be nailed to the cross out of pure love and thus dying for our wrong-doing without expecting anything in return.
If God’s love is a provocation for normal expectations, we as Christians can and should do the same. This can begin even with small things.
A musician told us how he was mobbed by an orchestral colleague over a period of months. Then, in the middle of a concert, this colleague’s music fell off his music stand – and landed right in front of his feet. For a second he rejoiced inwardly: “Now I will just leave him stuck!” Yet, one second later, a voice urged him to pick up the music quickly and put it on his colleague’s music stand.
Another musician occasionally pays for the shopping of the customer behind him in the queue at the supermarket – simply out of love and joy. As Christians, we are hopefully often driven by joy – and in this way do good to others.
Sometimes, however, our provocation can also be negative. While I write this, I am still feeling ashamed for letting myself be provoked by an opposing player in a soccer game last week, when I replied with a sharp remark which caused this colleague to leave the field. Despite that, we were able to sort the situation out quickly. I apologised – and he came back on. Afterwards, in the changing room, we had a pleasant conversation.
I fail time and again. But, on the other hand, my experience shows me this: if I live from God’s forgiveness every day, and allow God’s love to work on me (in prayer, for example, and in worship), I will become more capable of loving and provoking.
In his very worthwhile book “The Provocative Church”, the Anglican bishop Graham Tomlin (*1958) quotes two passages from the 1st Letter of Peter: 1 Peter 2,12: “Live such good lives among the pagans that, though they accuse you of doing wrong, they may see your good deeds and glorify God…” and 1 Peter 3,15f.: “Always be prepared to give an answer to everyone who asks you to give the reason for the hope that you have. But do this with gentleness and respect.”
In a time in which the church and Christianity are seen as irrelevant, how can we provoke questions in a good way, and with love? This question is raised repeatedly by Tomlin and answered with, among other things, a beautiful example from the fourth century.
“There is a fascinating story from the early Church that illustrates the same point. Pachomius was an Egyptian who in the early years of the fourth century AD had been conscripted into the Roman army. He was taken down the Nile and was being held in a kind of cross between a prison and an army barracks near Luxor when he was visited by a strange group of local people with gifts of food and drink. Intrigued, he asked why they would come to visit someone they didn’t know and had no obligation to. He received the answer that it was because they were followers of Jesus of Nazareth, and they had a custom of visiting those in prison as they would visit Jesus himself, just as their Lord had taught them. Pachomius was so impressed, he decided to become one of these ‘Christians’. In time, he became one of the most important founders of communal Christian monasticism, the movement that served to keep Christianity alive during many of the dark days to come after the fall of the Roman Empire. Here is a prime example of Christ-like behaviour provoking a question, which is answered by the word of the gospel leading to a profound and active faith.”
Tomlin, Graham. The Provocative Church: 4th Edition (p.73f.)
Prayer:
Lord, forgive me where I have provoked, and provoke, others negatively by my behaviour. Help me to surprise my neighbour with revolutionary love. Not as a means to an end. Love is never a means to an end. But out of pure joy and out of love that comes from you. As a result, you will show yourself to my neighbour and help me to be a signpost pointing to you. Permeate my life as an artist, and also my art, with your Holy Spirit and with your provocative love.
Amen.
Text: Beat Rink
Translation: Bill Buchanan
Photo: Pachomius with an Angel
DEUTSCH
Wir gehen auf Weihnachten zu. Die Weihnachtsgeschichte ist eine einzige Provokation. Nicht nur Herodes wird am Weihnachtsabend provoziert, sondern unser ganzes Denken und Handeln in menschlichen Ordnungskategorien. Es kann doch nicht sein, dass Gottes Sohn in einem Stall zur Welt kommt! Dazu in einem weltpolitischen und gesellschaftlichen Niemandsland! Jesus provoziert auch als 12-Jähriger und dann als erwachsener Mann auf Schritt und Tritt: indem er Gott seinem Eltern voranstellt, indem er in einer Männergesellschaft die Frauen ehrt, indem er mit „Sündern und Zöllnern“ isst, indem er einen Samariter als gutes Beispiel darstellt, indem er die Kinder Vorbilder im Glauben nennt – und vor allem: indem er seine göttliche Macht nicht ausspielt, sondern sich aus reiner Liebe ans Kreuz schlagen lässt und so für unsere Schuld stirbt, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
Wenn Gottes Liebe die gängigen Erwartungen provoziert, können und sollten auch wir Christen dies tun. Dies kann schon im Kleinen beginnen. Ein Musiker erzählt, wie er von einem Orchesterkollegen über Monate hinweg gemobbt wurde. Dann, mitten in einem Konzert, fielen diesem Kollegen die Noten vom Pult – gerade ihm vor die Füsse. Eine Sekunde lang jubelte er innerlich: „Jetzt lasse ich ihn hängen!“ Doch eine Sekunde später trieb ihn eine Stimme dazu, die Noten schnell aufzuheben und sie dem Kollegen hinzulegen. Ein anderer Musiker bezahlt ab und zu im Supermarkt einem anderen Kunden hinter ihm die Einkäufe. Einfach so – aus Liebe und aus Freude. Als Christen sind wir hoffentlich immer wieder von Freude getrieben – und tun Anderen so Gutes.
Manchmal provozieren wir allerdings auch negativ. Während ich dies schreibe, schäme ich mich noch dafür, dass ich mich letzte Woche beim Fussballspielen von einem gegnerischen Spieler provozieren liess und dann mit einer scharfen Bemerkung konterte, dass der Kollege das Feld verliess. Allerdings konnte wir dies schnell regeln. Ich entschuldigte mich – und er kehrte zurück. Später ergab sich in der Garderobe eine nette Unterhaltung. Ich selber versage immer wieder. Aber auf der anderen Seite erfahre ich: Wenn ich täglich aus Gottes Vergebung lebe und Gottes Liebe an mir wirken lasse (zum Beispiel im Gebet und in der Anbetung), dann werde ich liebes- und provokations-fähiger.
Der anglikanische Bischof Graham Tomlin (*1958) führt in seinem lesenswerten Buch „Die provozierende Kirche“ in diesem Zusammenhang zwei Stellen aus dem 1.Petrusbrief an: 1.Petrus 2,12: „Führt unter den Heiden ein rechtschaffenes Leben, damit sie, die euch jetzt als Übeltäter verleumden, durch eure guten Taten, die sie sehen, Gott verherrlichen…“und 1. Petrus 3, 15f.: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt. Aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig.“
Wie können wir in einer Zeit, in der Kirche und Christentum als irrelevant angesehen werden, auf gute Weise und mit Liebe Fragen provozieren? Diese Frage wird von Tomlin immer wieder aufgeworfen und unter anderem mit einem schönen Beispiel aus dem 4.Jahrhundert beantwortet:
„Es gibt eine faszinierende Geschichte aus der Zeit der ersten Christenheit, die genau diesen Punkt veranschaulicht. Pachomius war ein Ägypter, der Anfang des vierten Jahrhunderts in die römische Armee eingezogen wurde. Man schiffte ihn den Nil hinunter und hielt ihn dann in einer Art Militärgefängnis in der Nähe von Luxor fest. Eines Tages besuchte ihn eine eigenartige Gruppe von Ortsansässigen. Sie brachten ihm Essen und Trinken. Fasziniert fragte er sie, warum sie gekommen seien, um jemanden zu besuchen, den sie gar nicht kannten und gegenüber dem sie keinerlei Verpflichtung hatten. Sie antwortete ihm, dass sie Nachfolger Jesu seien und den Brauch pflegten, Gefangene zu besuchen, so als besuchten sie Jesus selbst, ganz so wie es ihr Herr sie gelehrt hatte. Pachomius War so beeindruckt, dass er beschloss, einer dieser Christen zu werden. Bald darauf wurde er zum wichtigsten Gründer des gemeinschaftlichen christlichen Mönchtums, eine Bewegung, die später entscheidend dazu beitrug, dass Christentum lebendig zu erhalten in den dunklen Zeiten, die nach dem Fall des römischen Reiches noch kommen sollten. Hier haben wir ein erstklassiges Beispiel dafür, wie Christus gemässes Verhalten eine Frage provoziert, die dann mit den Worten des Evangeliums beantwortet wird und zu tiefem und tätigem Glauben führt.“ (Graham Tomlin. Die provozierende Kirche. Zürich 2012, S. 74 / engl. Ausgabe 2002)
Gebet:
Herr, vergib mir, wo ich mit meinem Verhalten andere negativ provoziert habe und provoziere. Hilf mir, meine Nächsten mit revolutionären Liebe zu überraschen. Nicht als Mittel zum Zweck. Liebe ist nie Mittel zum Zweck. Aber aus purer Freude und aus Liebe, die von Dir kommt. Du wirst Dich dem Anderen dadurch zeigen und mir helfen, ein Wegweiser zu sein auf Dich hin. Durchdringe mein Leben als Künstler und auch meine Kunst mit Deinem Heiligen Geist und mit Deiner provozierenden Liebe.
Amen
Text: Beat Rink